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DIE EISENBAHNGESCHICHTE ÖSTERREICHS:

Von den Anfängen bis zum Jahre 1839.

 

I: Die Budweis-Donau-Eisenbahn.

Die erste Eisenbahn, welche in Oesterreich für den Verkehr von Reisenden und Gütern angelegt wurde, ist jene zwischen der Moldau und Donau, oder von Budweis bis Linz; die Veranlassung der­selben lag in den Verhandlungen der Bevollmächtigten der zehn Elbeufer-Staaten, welche sich in Folge der Wiener Congressacte im Jahre 1819 in Dresden versammelten, und dort eine Convention wegen Regulirung der Elbe-Schiffahrt abschlossen.

Die Eisenbahnsituation in Österreich um 1839:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Budweiserbahn, Prag-Lana-Bahn, Ferdinands-Nordbahn. Die Raaberbahn befand sich ab 1. April 1839 i.Bau(Gloggnitzer Strecke).

Die freie Schiffahrt auf der Elbe begann im Jahre 1821, und die Commission in Dresden hatte sich vor ihrer Auflösung an die österreichische Regierung mit dem Ersuchen ver­wendet, die Schiffahrt auf der Moldau bis Budweis zu reguliren, und von dort bis zur Donau einen Canal oder eine Eisenbahn anzulegen, damit auf diese Art Güter von Hamburg bis zur Donau, und umgekehrt befördert werden könnten.

Im Jahre 1822 wurde ich  von  dem damaligen Präsidenten der Commerz-Hofstelle aufgefordert, mich an die Spitze der Unternehmung zu stellen, und nahm sofort die nöthigen Local-Untersuchungen der Gegend vor.

Ich ging sodann nach England, um mich dort aber den besten Plan zu berathen, wie eine Eisenbahn über das Gebirge zwischen der Moldau und Donau zu fuhren sei, welches von der einen Seite über 1000, und von der andern Seite über 1500 Fuss Höhe hatte.

Die englischen Ingenieurs waren damals durchaus der Meinung, jede Eisenbahn in Gebirgsgegenden in horizontale oder beinahe horizontale Strecken abzutheilen, zwischen welchen steile schiefe Flächen angelegt, und mit Dampfmaschinen(Stationary Steam Engines) betrieben werden.

Eine englische „Schiefe Ebene“(Skizze):

Copyright: Elmar Oberegger

Ich erklärte denselben, dass ich eine Eisen­bahn sowohl in den Hauptgrundsätzen ihrer Anlage, als in ihrem Zwecke nur als eine sehr gute Kunststrasse betrachte, und daher in keinem Falle schiefe Flächen annehmen könne; allein meine Ansichten wurden von Niemandem in England gebilligt.

Ich kehrte im November 1822 von England zurück, liess während der folgenden zwei Jahre die notwendigen Nivellirungen vornehmen, und erhielt am 7.September 1824 von weiland Sr. Majestät Kaiser Franz I. ein persönliches Privilegium zum Baue und zum Betriebe einer Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau.

Im März 1825 bildete ich in Wien eine Actiengesellschaft, und leitete und beendigte bis Ende 1828 den Bau der ersten 39 engl. Meilen von Budweis bis zum Scheidungspunkte des Gebirges.

Die Grundsätze bei der Anlage dieser Bahnstrecke waren, keine grössere Steigung als 1:120, oder 44 Fuss per engl. Meile, dann keinen kleinern Krümmungshalbmesser als 600 österreichische oder 622 englische Fuss anzunehmen, ferner keine erstiegene Höhe wieder zu verlieren.

Zum Konzept Gerstner I: Sanfter Aufstieg bis zum Hochpunkt, sodann sanftes Gefälle.

 

Copyright: Elmar Oberegger

Da die Bahn vorzüglich für den Salztransport berechnet war, so bestand der Oberbau aus Flachschienen(plate rails), die auf Holz gena­gelt waren, und das angenommene Maximum der Steigung gründete sich darauf, dass die Wagen nach da­maliger Construction bei dieser Steigung auf Flachschienen von selbst herabzulaufen anfingen.

Zum Konzept Gerstner II: Kurze Züge bergauf, lange Züge bergab.

Copyright: Elmar Oberegger

Ursprünglich war Mauthausen als Endpunkt in Aussicht genommen, erst später entschied man sich für „Urfahr-Linz“.

Im Herbste 1828 wurde die Strecke von 39 Meilen eröffnet, und wie es früher angenommen war, mit Pferdekraft betrieben.

So klar und deutlich die Grundsätze dieses Baues Jedermann erscheinen mussten, und so sehr auch der Erfolg der Fahrten allen Erwartungen entsprach, so wurden dennoch Vorschläge wegen Abänderung derselben gemacht, und von der Direction der Gesellschaft ohne weitere Untersuchung angenommen.

Ich erklärte daher nochmals in einem im Februar 1829 erschienenen Mémoire die Gründe für Beibehaltung meiner Baugrundsätze, und machte zugleich den Vorschlag, leichte Locomotiven zum Transporte zu ge­brauchen, allein die Direction nahm auch hierauf keine Rücksicht, und liess nun den weitern Bau, an welchem ich keinen Anteil mehr hatte, vom Scheidungspunkte bis Linz nach einem Plane ausführen, wo­bei Steigungen von 1:46 oder 115 Fuss per engl. Meile in bedeutenden Strecken vorkamen, grosse erstie­gene Höhen mehrmals verloren wurden, und häufig Krümmungen von 60 Fuss Halbmesser Statt hatten.

Im Jahre 1832 wurde die ganze Bahn von 80 engl. Meilen eröffnet, und seit der Zeit ununterbrochen im Sommer und Winter benutzt, obgleich die dortige Gegend jährlich fünf Monate lang mit hohem Schnee bedeckt ist.

Die Gesellschaft hatte früher einen Vertrag für den Transport des Salzes und der Kaufmannsgüter abgeschlossen, gemäss welchem dem Pächter 3 Kreuzer Conventions-Münze per Centner und 39 Meilen, welche ich baute, gezahlt wurden; seit Eröffnung der ganzen Bahn wurde für die doppelte Strecke nie weniger als 10 Kreuzer per Centner gezahlt, und es gibt jetzt wohl keinen Menschen vom Ingenieur bis zum Fuhrmanne herab, welcher bei Bereisung oder Besichtigung der Bahn es nicht lebhaft bedauert, dass die Grundsätze, welchen ich bei der ersten Bahnhälfte folgte, nicht auch bei der zweiten Bahnhälfte angewendet wurden.

Die Gesellschaft erleidet wenigstens einen Verlust von 5 Kreuzer per Centner, wel­ches bei 500,000 Centner jährlich 41,666 Gulden beträgt, während die Mehrauslage, wenn man meinen Grundsätzen gefolgt hatte, nicht über 250,000 Gulden Conv.-Münze betragen hätte. Ueberdiess ist man jetzt in die Unmöglichkeit versetzt, Dampfkraft zu gebrauchen, welche dort bei dem überaus wohl­feilen Holze von grösstem Vortheile wäre.

Es gibt wohl keine Bahn, weder in Europa noch in America, wo die Grundsätze des Baues bei ihren zwei Hälften so sehr verschieden sind, und wo man so deutlich den Erfolg derselben beurtheilen kann, als auf dieser Bahn, und es ist als Warnung für ähnliche Fälle nur zu wünschen, dass möglichst viele Personen die Bahn bereisen, und sich an Ort und Stelle von dem Erfolge des Baues nach beiden Grundsätzen überzeugen.

Eine Bahn, zwei Baugrundsätze: Das Längenprofil Budweis-Urfahr.

Aus: B.Enderes, Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz, Berlin 1926(2007), 18.

Unter solchen Umständen ist es zu verwundern, dass die Bahn, welche 1,652,000 Gulden Conv.-Münze oder 10,325 Dollars per engl. Meile kostete, seit ihrer Eröffnung im Jahre 1832 jährlich 5 Prozent von diesem, für die Unternehmung wirklich verausgabten Kapital gegeben hat, nachdem auf derselben jährlich nur gegen 6000 Reisende und 25,000 Tonnen Güter, meistens Salz, befördert werden.

Hätte man 1,600,000 Gulden Conv.-Münze, oder 11,875 Dollars per engl. Meile ausgegeben, so würde sich dieses Capital mit 6½ Prozent, und bei Anwendung von Dampfkraft mit wenigstens 8 Procent verzinsen. Für die Actionnäre dieser Bahn ist es zu bedauern, dass ein Theil des Kapitales in Darlehen mit kurzen Terminen, und ein anderer Theil durch Emission von Actien unter dem Pari-Werthe eingebracht wurde, indem dadurch die Dividenden für die ursprünglichen Actionnäre geschmälert, und erst nach Rückzahlung der Darlehen vermehrt werden.

 

II: Linie Urfahr-Gmunden.

Die Bahn von Budweis bis Linz wurde später bis zu den Salzlegestätten in Gmunden fortgesetzt, und hat nun eine ununterbrochene Länge von beiläufig 130 engl. Meilen, welche seit drei Jahren in vollem Betriebe stehen.

Die Flachschienen bei dieser Bahnstrecke haben dieselbe Stärke, wie bei vielen Bahnen in America, worauf der Betrieb mit Locomotiven ungehindert Statt findet; leider aber wurden auch bei der Bahn von Linz bis Gmunden solche Baugrundsätze angewandt, welche den Betrieb der Bahn mit Locomotiven ganz unmöglich machen.

Die Baukosten der ganzen Bahn von 130 engl. Meilen Länge waren 2,400,000 Gulden, oder 9230 Dollars per engl. Meile, welches im Vergleiche der grossen Anzahl Brücken und bedeutenden Felssprengungen gewiss eine unbedeutende Summe ist.

Da auf der Bahn von Linz bis Gmunden im vorigen Jahre 93,000 Reisende und über 40,000 Tonnen Güter gingen, so ist das Erträgniss derselben auch weit grösser, als jenes der Budweis-Linzer Bahn.

 

III: Prag-Lana.

Im Jahre 1826 wurde der Bau einer Eisenbahn von Prag nach Pilsen begonnen; diese Bahn sollte zum Transporte des Holzes aus den fürstlich Fürstenbergischen Waldungen und den Steinkohlen aus der Gegend von Pilsen benutzt werden; ihre projectirte Länge betrug gegen 80 engl. Meilen. Die be­schränkten Mittel der Gesellschaft erlaubten leider nur den Bau von 35 engl. Meilen, und dann musste die Bahn zur Deckung der Schulden der Gesellschaft öffentlich verkauft werden. Gegenwärtig findet auf dieser Bahn blos der Transport von Brennholz und Bausteinen nach Prag Statt. Ich bemerke noch, dass ich mit dieser Bahn nie in Verbindung stand.

 

IV: Kurze Zwischenbetrachtung.

Das österreichische Publikum legte für die vorgenannten Bahnen, welche zusammen 165 englische Meilen Länge haben, ein Kapital von 3 Millionen Conv.-Gulden zu einer Zeit aus, wo man in sämmtlichen übrigen deutschen Staaten noch an keine Eisenbahn dachte; durch den Bau dieser Bahnen, welche theilweise in dem schwierigsten Terrain ausgeführt wurden, hatte man in Oesterreich eine Erfahrung erlangt, welche zweckmässig benutzt die besten Folgen haben wird und bereits jetzt haben diese Bahnen jene Un­ternehmungen hervorgerufen, welche gegenwärtig in Oesterreich in einem grössern Maassstabe als in irgend einem andern Staate in ganz Europa ausgeführt werden.

 

V: Ferdinands-Nordbahn und Raaberbahn.

Die erste in der Ausführung stehende grosse Eisenbahn, >>Kaiser Ferdinands Nordbahn<< genannt, wird von Wien bis zu den Salzwerken in Bochnia angelegt, und wird 310 engl. Meilen Länge erhalten; hiervon ist die Strecke bis Brünn von 100 engl. Meilen bereits eröffnet, und an der Fortsetzung des Baues wird thätig gearbeitet.

Im vorigen Jahre berechnete die Direction die Auslagen mit 200,000 Gulden per deutsche Meile, oder 20,000 Dollars per engl. Meile, allein selbe dürften sich in keinem Falle unter 25,000 Dollars per engl. Meile, sonach auf nicht weniger als 15½  Millionen Gulden für die ganze Bahn bis Bochnia belaufen.

Da der grösste Theil dieses Kapitals bereits gedeckt ist, so wird die ganze Unternehmung ohne Zweifel in wenigen Jahren beendigt. Die Verlängerung der Bahn bis Krakau unter­liegt dann keiner Schwierigkeit; für eine Bahn von Krakau bis Warschau hat die russische Regierung das Privilegium bereits ertheilt.

Die zweite grosse Bahn, welche gegenwärtig in Oesterreich ausgeführt wird, ist die Wien-Raaber Eisenbahn, welche sammt den Zweigbahnen nach Baaden, Glocknitz und Oedenburg eine Länge von 170 engl. Meilen erhalten soll. Der Bau dieser Bahn bat bereits begonnen, und bei den bedeutenden disponiblen Geldmitteln ist nicht zu zweifeln, dass selbe in wenigen Jahren ganz ausgeführt wird.

In diesem Augenblicke dürften wohl 300 engl. Meilen Eisenbahnen in Oesterreich im Betriebe stehen, und diese Länge wird binnen drei Jahren wenigstens zweimal so viel betragen.

 

VI: Appendix 2012 - Bibliographie zum Thema „Österreichische Eisenbahngeschichte“.

Die österreichische Eisenbahn 1837-1937. Gedenkblätter zur Hundertjahrfeier der Eröffnung der ersten österreichischen Dampfeisenbahn. –Wien 1937.

GERSTNER Franz A.: Eisenbahnen in Oesterreich. In: Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerica. –Leipzig 1839, S. 55 ff.

Geschichte der Eisenbahn in Österreich. In: Wikipedia-Enzyklopädie(Internet).

OBEREGGER Elmar: Thema „Eisenbahngeschichte Österreichs“. Literaturbericht und Zukunftsperspektive. –Sattledt 2009.

OBEREGGER Elmar: Die österreichischen Eisenbahnen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Die Entwicklungsphasen des österreichischen Eisenbahnnetzes. 1808-1918. –Sattledt 2008.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte des alten Österreich. 1827-1918. In: www.oberegger2.org –Internet 2011.(zweibänd. Printfassung in Planung.)

KONTA Ignaz: Österreichisches Eisenbahnjahrbuch. –Wien 1868 ff.

KONTA Ignaz: Österreichische Eisenbahnen. In: Enzyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens. Hrsg.v. Victor Röll. –Wien 1890 ff.

KUPKA Peter F.: Die Eisenbahnen Österreich-Ungarns. 1822-1867. –Leipzig 1888.

RÖLL Victor: Eisenbahngeschichte Österreichs in Grundzügen(1915). –Sattledt 2009.

STRACH Hermann(Red.): Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Bde. I-VI. –Wien u.a. 1898 ff.

 

Copyright: Franz Anton v.Gerstner 1839.(Titel, Karten, Bibliographie und Kapitelaufteilung von E.Oberegger)