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II: Chronologische Strukturgeschichte der Hrpelje-Bahn(E.Oberegger).

A: Vorgeschichte(1857-1882) .

1857: Der Hafen Triest – seit 1809/15 innerhalb einer Stagnationsphase – erhält einen vom Staat hergestellten Eisenbahnanschluss.

1858: Die Linie Wien-Triest wird gemeinsam mit anderen Staatsbahnlinien an die private „Südbahn-Gesellschaft“ verkauft. Die Vertreter des Hafens empfinden sich – nicht zuletzt angesichts der anhaltenden Stagnation – zunehmend als „Geiseln“ dieser Privatgesellschaft und fordern eine neue Staatsbahn als Konkurrenz zur Südbahn(= „Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest“).

1865: Zwei Varianten stehen konkret zur Debatte. Eine via Udine und eine via den Predil führende Eisenbahn.

Die Projekte „Udinebahn“ und „Predilbahn“(1865):

Copyright: Elmar Oberegger

1866: Nach der „Schlacht von Königgrätz“ geht Venetien verloren und das Projekt einer „Udine-Bahn“ wird fallengelassen. Durch die neue Staatsgrenze war es zur „internationalen Angelegenheit“ geworden. Realisiert wurde es schließlich bis 1879 mittels österreichisch-italienischer Kooperation. Italien lenkte den Verkehr aber erfolgreich zu seinem Seehafen Venedig hin.

1867: Beginn der Errichtung eines „Porto Nuovo“, die völlig unzureichende Eisenbahnhafenanlage aus 1857 wird überbaut. Geplanter Vollendungstermin des Projektes ist 1874.

1870: Die Krainer Handelskammer(Laibach) fordert die Errichtung einer Parallelstrecke zur Südbahn, welche in Bischoflaak(S. Loka) aus der Rudolfsbahn ausmünden, über den Karst verlaufen und schließlich via Servola nach Triest in einen neuen Bahnhof geführt werden sollte(„Laaker-Bahn“).

Das „Laaker Projekt“:

Copyright: Elmar Oberegger

Bischoflaak Rudolfsbahn(= Skofja Loka Trata)-Bischoflaak Stadt(= Skofja Loka Mesto)-Sairach(Ziri)-Divaca(-Sezana-Servola-Triest).

1873: Ausbruch einer schweren Wirtschaftskrise. 1874 ist der „Porto Nuovo“ noch unvollendet.

1882: In Triest Jubiläumsfeier „Triest-500 Jahre bei Österreich(1382-1882)“ im Schatten der Wirtschaftskrise. Kaiser Franz Joseph I. tut den gewichtigen Satz: „Es muß etwas für Triest geschehen“.

Kaiser Franz Joseph I.:

WIKI GEMEINFREI

„Es muß etwas für Triest geschehen“(1882).

Da der „Porto Nuovo“ mittlerweile fast vollendet ist, kommt diesbezüglich – zumindest nach der österreichischen „Triest-Logik“ – nur der Bau einer neuen – in Triest längst sehnlichst gewünschten(s.o.) – Eisenbahn in Frage.

 

B: Baugeschichte(1883-1887).

1883: Die Errichtung einer Staats-Bahn „Triest-Hrpelje“(mit nördlicher Verlängerung) wird zum Gesetz. Der „Porto Nuovo“ ist endlich vollendet.

„Porto Nuovo“(und „Neuer Bahnhof“ der Südbahngesellschaft):

Aus: J. Dultinger, Die Erzherzog Johann-Bahn, Rum 1985, 160.

Der neue Bahnhof(Staatsbahn) werde sich in St. Andrä(Muggia-Bucht) befinden, die Waren vom und zum Porto Nuovo werden also(an der Riva) quer durch die Stadt zu transportieren sein. Eine entsprechende Eisenbahn wurde vorgesehen.

Die Riva-Bahn:

Copyright: Elmar Oberegger

Das Bahnprojekt aus technischer Sicht: Von Triest bis Hrpelje waren ca. 500 Höhenmeter auf ca. 27 Kilometer zu überwinden. Gefragt war also erneut die von Franz Anton v.Gerstner entwickelte und von Ghega zur Blüte geführten „Gebirgs-Eisenbahnbaukunst“. Nur würde man beim vorliegenden Projekt Ghegas „Magische Marke“ von 25 %o sprengen. Die neue Bahn werde ca. 33 %o Höchststeigung(anderswo scheint der Wert ca. 31 %o auf) besitzen. Man rechnete also offenbar von vorne herein im Güterverkehr mit einem (nicht billigen) „Vorspann- und Schiebebetrieb“(= 1-2 Loks vorne, eine hinten). Kontas Vorwurf(1893), die Bahn sei „nicht genügend leistungsfähig“, stimmt also im Prinzip.(Dies müsste sodann aber auch für die 1906 eröffnete Wocheinerbahn gelten, wo der „Vorspann- und Schiebebetrieb“ nachgewiesenermaßen Anwendung fand.)

1885, Spätherbst: Nach langen Diskussionen u.a. um die Frage, ob die neue, relativ menschenleere Gebiete durchziehende Linie nur eine „Schleppbahn“ sein solle oder auch Personen befördert werden sollten, beginnt der Bau. Auch der zukünftige nördliche Verlauf der „Zweiten Eisenbahnverbindung mit Triest“ steht bereits fest: „(Triest-)Hrpelje-Divaca(= Teil der Staatsbahn Divaca-Pula)-Laibach-Tarvis-Villach-Selzthal-Kastenreith-Prag/Wien“. Die Linie Divaca-Laibach wurde allerdings nicht neu errichtet, sondern von der privaten Südbahngesellschaft gemietet. Die Kontrolle über den Abschnitt Laibach-Prag/Wien hatte man durch Verstaatlichungsaktionen(Rudolfsbahn, Elisabethbahn, Franz Josephsbahn) bereits seit 1884 inne.

Die Staatsbahn-Verbindung Triest-Hrpelje-Kastenreith-Prag/Wien:

Copyright: Elmar Oberegger

1885-87: Gemäß der Gerstnerschen Gebirgseisenbahntechnik stützte man sich technisch auf die Anlage von Einschnitten, Tunnels, Viadukten und teils engen Kurven.

Gebirgseisenbahntechnik par excellenceViadukt über den „Langen Wildbach“, Trassenentwicklung bei Bottac:

Aus: GDÖU I/2, 357.

Aus: GDÖU I/2, 355.

Als Höchstgeschwindigkeit der Züge wurden 30 km/h festgelegt. Drei Stationen sollten auch als „Betriebsausweichen“ fungieren: St. Anna, Borst(S.Antonio i.B.) und Draga(S. Elia). Man rechnete insgesamt mit einem Maximal-Aufkommen von ca. 40 Zügen(= 20 Zugpaare). Der Bahnhof Hrpelje, Teil der Staatsbahn Divaca-Pula(s.o.) wurde als letzter Außenposten der Staatsbahn vor dem gemieteten Südbahnabschnitt mit zusätzlichen Gleisanlagen versehen. In Triest St. Andrä wurde ein neuer Bahnhof gebaut.(s.o.)

1887, 6. Juli: Eröffnung der neuen Bahnlinie.

Die fertige neue Staatsbahn via Hrpelje(Bereich Triest-Villach):

Copyright: Elmar Oberegger

Hrpeljebahn und Rivabahn als System:

Copyright: Elmar Oberegger

 

C: Betriebsgeschichte Teil 1 - Die Blütezeit von 1887 bis 1906/09.

nach: Technisch-commerzieller Bericht über die zweite Eisenbahnverbindung mit Triest, Wien 1901, 68.

Die neue staatliche Bahnverbindung wurde für die private Südbahn durchaus zu einem ernstzunehmenden Gegner:

Von 1887(= Juli-Dez.!) bis 1892 wuchs dort das Güteraufkommen um 161.245 Tonnen. Die Südbahn fuhr aber ungefähr im gleichen Zeitraum(= Jan.-Dez. 1887-1892) ein Minus von 93.616 Tonnen ein.(s. Statistik)

Zwischen 1887(s.o.) und 1897 sieht das Verhältnis wie folgt aus: Ein deutliches Plus von 235.980 Tonnen(Staatsbahn) stand 74.380 Tonnen der Südbahn gegenüber.(s. Statistik)

Zwischen 1897 und 1899 hielt der Wachstumstrend der Staatsbahn weiter an.(s. Statistik)

Das Potential der Strecke war aber bei weitem nicht ausgeschöpft: An einem Tag verkehrten im Schnitt von und nach Hrpelje ca. 3,4 Güterzüge(à 280t). Der Personenverkehr blieb erwartungsgemäß im Rahmen. Die neue Linie wurde von den Triestinern gerne als „Ausflugsbahn“(Spaziergänge, Schinken und Wein!) genutzt.

 

D: Betriebsgeschichte Teil 2 - Der Niedergang von 1906/09 bis 1960.

1906: Eröffnung des neuen Staatseisenbahnkorridors Prag-Pyhrn-Wochein-Triest(= „Transalpina I“). Damit neue Eisenbahn von Triest nach Norden, genannt „Karstbahn“(= Triest St. Andrä-Rozzol-Opcina-Görz). Der bestehende Staatsbahnhof von St. Andrä wurde zugunsten eines weiter westlich gelegenen Neubaus demoliert. Auch dieser wird „Triest St. Andrä“ genannt.

1909: Ergänzung der „Transalpina I“ um den Tauernstrang.

Die „Transalpina“(= Tauern/Pyhrn-Wochein-Triest):

Copyright: Elmar Oberegger

1906/09-1914: Die Hrpelje-Verbindung leidet schwer unter der neuen „Transalpina“. Es bleibt ihr fast nur die Funktion einer „Karst-Heurigenbahn“ für die Triestiner. Als „Zweites Gleis der Karstbahn“ hätte die Linie in der Tat weiterhin bestehen können, und zwar vor allem in der bergab verlaufenden Richtung Hrpelje-Triest. Die frühere Bedeutung der Strecke aber war für immer vernichtet. 1914 bricht der Erste Weltkrieg aus, der gesamte Triester Hafen liegt sodann von 1915(Kriegseintritt Italiens) bis 1918 still.

1919: Die Hrpelje-Bahn wird Teil des italienischen Netzes. Ihrer einstigen Bedeutung nun noch mehr beraubt, siecht sie dahin...

1947-1954: Die Bahn ist ungefähr bis Draga Teil des „Triester Staates“, der Rest befindet sich in Jugoslawien. Durch einen Vertrag ist die Durchfahrt bis Hrpelje grundsätzlich gestattet. Doch an der Grenzlinie übten die Soldaten Titos mit ihren Schusswaffen regelrechten Terror auf die Züge und ihre (wohl nur vermeintlich faschistischen) Insassen aus. So entschloss man sich dazu, den Endbahnhof in Borst(S. Antonio i.B.), ca. 5 Kilometer vor der Grenze gelegen, einzurichten.

1954: Der „Triester Staat“ wird nach einer Volksabstimmung aufgelöst und Italien zugeschlagen.

1958: Angesichts der Bedeutungslosigkeit der Hrpelje-Bahn stellen die FS den Verkehr ein.

1960: Auflassung der Bahn.

 

E: Quellen &. Literatur.

CARMELI Roberto/Roberto Carollo: II treno della Val Rosandra. -Trieste 2015.

KONTA Jgnaz: Istrianer Bahnen. In: Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor Röll. –Wien 1893.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adriaraumes II. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Die Südbahngesellschaft und ihr Netz. 1858-1982. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Hrpelje-Bahn. In: Enzyklopädie zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes(auf www.oberegger2.org).

PEINHOPF Egbert: Eisenbahnen in Istrien. Einst und heute. –Wien 2017.

Technisch-commerzieller Bericht über die zweite Eisenbahnverbindung mit Triest. –Wien 1901.

Transalpina. Un binario per tre popoli. –Monfalcone 1996.