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DAS „Y-KONZEPT“ DES WÜLLERSTORF-URBAIR(1866) - DER ERSTE GROSSE EISENBAHNPLAN FÜR ISTRIEN:

Strukturen und weitere Geschichte.

 

Kurzfassung eines Referates in Rijeka(HR) anlässl. des Jubiläums „140 Jahre Istrianerbahn“(22.09.16).

Der Begriff „Istrianer Ypsilon“ ist heute vor allem jedem Automobilisten wohlbekannt. Relativ unbekannt ist aber, dass Istrien – wäre es nach dem österreichischen Handelsminister Wüllerstorf-Urbair(1865-1867) gegangen – ursprünglich auch eisenbahnmäßig in Form eines Ypsilons erschlossen hätte werden sollen. Dieses ganz ohne Zweifel ehrgeizige Projekt wurde zwar nie realisiert, die Problemstellung einer optimalen Erschließung Istriens blieb aber über die Zeiten hinweg erhalten und erfuhr durch den Zerfall Jugoslawiens sogar noch Aufwind.

Kommodore Bernhard v.Wüllerstorf-Urbair(1816-1883):

WIKI GEMEINFREI

Mit seiner „Novara“ umrundete er einst von Triest aus die Welt!

Kommodore Bernhard von Wüllerstorf-Urbair(geb. 1816 in Triest, gest. 1883 in Gries b. Bozen) war ein hochintelligenter, energischer und zupackender Mann. Sein Leitspruch war:

„Eins bist Du dem Leben schuldig: Handle oder bleib‘ in Ruh‘! Bist Du Amboß, sei geduldig, bist Du Hammer – Schlage zu“!

Berühmtheit erlangte er, als er mit seiner Fregatte „Novara“ von Triest aus die Welt umrundete(1857-59). Im Jahre 1865 wurde er Handelsminister und wandte sich in dieser Funktion auch der Eisenbahnfrage zu. 1866 erschien sein Memorandum „Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie“.

Das „Istrianer Y-Konzept“ im Kontext des gesamten „Reichsbahn-Planes“ von Wüllerstorf-Urbair:

Copyright: Elmar Oberegger

Als er sein Amt antrat, präsentierte sich die Eisenbahnpolitik bezüglich Istrien als höchst traurig: Im Eisenbahnplan von 1864 blieb es ebenso ausgespart wie schon im Rieplschen Plan von 1836. Istrien war einerseits eine arme Gegend, Österreich andererseits keine Seefahrernation im eigentlichen Sinne, d.h. unfähig, sich in das Problem „Meereshäfen und Hinterland“ wirklich hineinzudenken.

Die Hauptforderung des Handelsministers (und Seemannes) Wüllerstorf-Urbair bestand nun darin, die österreichischen Häfen einerseits mit dem Hinterland, andererseits aber auch untereinander gut zu verbinden. Vor diesem Hintergrund plante er bereits eine Eisenbahn von Karlovac aus durch die Lika bis Split, ausgestattet mit einem Zweig nach Rijeka. Von dort aus war wiederum ein Zweig bis Senj vorgesehen. Rijeka sollte ferner via Divaca und Pivka mit Triest verbunden werden.(s. Karten) Und für Istrien sah er vor: Errichtung der Linien Triest/Rijeka-Kanfanar-Pula, also eines Ypsilons. Seit Pula im Jahre 1848 zum neuen Hauptkriegshafen erwählt wurde, bedurfte es ganz selbstverständlich eines guten Eisenbahnanschlusses.

Das „Y-Konzept“(1866) im Detail:

Copyright: Elmar Oberegger

1866 existierte allein die „Südbahn“ Wien-Triest/Italien. Grenze.

Man behauptet allzu gerne, dass diese hohe Bewertung des Problems „Häfen und Hinterland“ allein mit dem Umstand zusammenhänge, dass Wüllerstorf-Urbair eben Seemann gewesen sei. In Wahrheit ging es hier aber schlichtweg um nichts Anderes als um „Staats-Räson“. Von vorne herein war klar, dass die Umsetzung des „Y-Konzeptes“ technisch sehr schwierig(s. Ucka) und somit teuer sein würde. Man befand sich damals noch dazu innerhalb der „Zweiten Privatbahnphase“(ca. 1854-1873), innerhalb derer es galt, „Kapitalkräftige Privatgesellschaften“ für den Bahnbau zu gewinnen. Doch eine solche gab es in Istrien nicht. Und auch sonst interessierte sich – abgesehen vom Militär – niemand für dieses Gebiet. Im Jahre 1867 ging sodann Rijeka im Zuge des „Ausgleichs“ noch dazu an Ungarn, ein Anschluss an das österreichische Netz war damit „Verhandlungssache“ geworden.

Der Ucka(Monte Maggiore) vom Meer aus gesehen:

WIKI GEMEINFREI

Große Barriere zwischen Kvarnerbucht und Inneristrien.

Erst die 1873 ausgebrochene Wirtschaftskrise brachte einen grundlegenden Umschwung auf dem Eisenbahnsektor mit sich: Die zweite, bis 1918 dauernde österreichische Staatsbahnphase wurde eingeleitet. Auch in dieser Phase scheute man aber vor der Errichtung eines Ucka-Tunnels zurück und nahm damit gleichzeitig vom „Y“ Abstand. Dieses wurde nun in seiner Mitte gepackt und nach oben gezogen, wodurch ein „T“ entstand: Linie Rijeka-Divaca-Triest(hergestellt 1857/73) mit neu zu errichtender Linie Divaca-Pula. Diese wurde im Jahre 1876 samt Zweigbahn Kanfanar-Rovinj dem Verkehr übergeben.

Die Eisenbahn nach Pula(1876):

Copyright: Elmar Oberegger

Militärisch war diese Bahn zwar hochwichtig, in volkswirtschaftlicher Hinsicht aber relativ problematisch, liegen doch besonders ihre nördlichen Stationen allzu hoch, um die regionale Wirtschaft nachhaltig fördern zu können. Der Eisenbahnhistoriker Jgnaz Konta bezeichnet sie nicht zuletzt deshalb zurecht als „Kunstbahn“.

Das „Y-Konzept“ war mit der Errichtung dieser Strecke aber strukturell noch keineswegs völlig tot:

Der Westteil wurde in der Folgezeit insofern lebendig, als die Linien Triest-Hrpelje(1887) und Triest-Porec(1902 in 76cm-Schmalspur) hergestellt und eine Verbindungslinie Porec-Raum Kanfanar geplant wurde. Der östliche Zweig aber blieb tot.(s. Karte)

Das Eisenbahnnetz Istriens um 1914:

Copyright: Elmar Oberegger

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden Triest und Rijeka(ohne Susak) italienisch und man dachte zum ersten Mal über die Errichtung eines Ucka-(bzw. Cicarija-)Tunnels nach.

Doch die Italiener führten in Istrien letztlich keine Addition von Eisenbahnkilometern durch, sondern eine Subtraktion: 1935 wurde die Linie Triest-Porec aufgelassen. Heute befindet sich auf ihr ein mittlerweile berühmter Radweg.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges marschierte Tito in Triest, Istrien und Rijeka ein und die Voraussetzungen für die Errichtung eines Eisenbahn-Ypsilons erschienen bestens.

Doch Triest war für Tito nur ein Faustpfand, welches er alsbald gegen Zadar eintauschte. Dafür aber wurde zur Herstellung einer guten Verbindung Rijeka-Pula 1951 der Ucka-Eisenbahntunnel in Angriff genommen. Das Unternehmen blieb bekanntlich unvollendet. Noch heute können wir in Poljane die traurigen Überreste der alten Baustelle betrachten.

Im jugoslawischen Kontext einigte man sich schließlich auf folgendes Modell: Güterverkehr Rijeka-Pula via Divaca, Personenverkehr Rijeka-Pula via Lovran im Schienenersatzverkehr. Im Jahre 1960 starb übrigens mit der Auflassung der Hrpelje-Bahn auch noch der Westteil des unvollendeten Ypsilons völlig ab. Als deren Nachfolgerin könnte die bis 1967 hergestellte Koper-Bahn(Koper-Presnica) betrachtet werden.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens fiel nun der Abschnitt Rakitovec Grenze-Divaca-Pivka-Sapjane Grenze der Verbindung Rijeka-Pula Slowenien zu und das kroatische Istrien ist seither vom Mutternetz völlig abgeschnitten. Zur Beseitigung dieses Problems ist schon seit 1993 die Herstellung eines „Cicarija-Tunnels“(ca. 14 km) geplant. Bis dahin wird der Verkehr Rijeka-Lupoglav(= Linie Divaca-Pula) mittels Schienenersatzverkehr abgewickelt. Mit der Vollendung dieses Projektes würde sodann historisch erstmals der Ostzweig des Ypsilons zum Leben erweckt.

Verbindung Rijeka-Pula: Der geplante „Cicarija-Tunnel“(ca. 14 km).

Copyright: Elmar Oberegger

Das Ergebnis nach der Herstellung des Cicarija-Tunnels wäre sodann eine ziemlich verzerrte und entstellte Ypsilon-Struktur, welche nur noch fern an den Wüllerstorf-Urbairschen Plan von 1866 erinnern würde:

Triest völlig abgeschnitten, Koper-Presnica(-Pula) im Westen, Rijeka-Cicarija-Lupoglav(-Pula) im Osten.

Das „Istrianer Eisenbahn-Y“ nach Herstellung des Cicarija-Tunnels:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Quelle und Literatur:

WÜLLERSTORF-URBAIR Bernhard von: Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie. In: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff.(mit einer Karte)

EDMONDS Tim: Optimism Unrealised – Tunneling under Ucka. In: Continental Railway Journal 136 (2003/04), S. 63 f.

KONTA Jgnaz: Geschichte der Eisenbahnen Österreichs. Vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. In: Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie 1/2. -Wien u.a. 1898 ff., S. 353 ff. Hier: S. 177.

OBEREGGER Elmar: Das Y-Konzept. Wüllerstorf-Urbair und die Eisenbahngeschichte Istriens. -Sattledt 2009.

OBEREGGER Elmar: Wüllerstorf-Urbair und die Eisenbahn. Sein Memorandum aus dem Jahre 1866. -Sattledt 2008.

OBEREGGER Elmar: Habsburgske zeleznice v kontekstu 19. stoletja. In: Pogledi na gradnjo Istrske Zeleznice leta 1875. -Koper 2016(Histria Documentum VI), S. 13 ff.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2016.