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V: DIE „ERSTE STAATSBAHNPHASE“(ca. 1841-ca. 1854).

1)    Zum Konzept.

Nachdem auf der Seite der Privaten eine gewisse Unlust eingetreten war, sich für den (staatswichtigen!) Eisenbahnbau zu engagieren, besann man sich auf die „Große These von 1837“(siehe Kabinettschreiben vom 25.November d.J.), in der festgehalten worden war, dass der Staat allein das Monopol auf den Eisenbahnbau habe.(1) Zunächst hätte er davon keinen Gebrauch machen wollen, nun schien es aber an der Zeit zu sein, einen notwendigen „Eingriff“ durchzuführen. Im Dezember 1841(Hofkanzleidekret v. 23. d.M.) wurde somit das „Erste Österreichische Staatseisenbahn-Programm“ aufgestellt.(2)

Zunächst wollte der Staat hier offenbar nur ein „Zeichen“ setzen, hoffte bis zuletzt auch auf weiteres Privat-Engagement, wurde sodann aber immer mehr in den Eisenbahnbau hineingezogen. Nie wollte er dabei aber eine Privatgesellschaft behelligen. Im Februar 1842 sah man es schließlich als nötig an, die „Generaldirektion der Staatsbahnen“ zu gründen.

 

2)    Das Bauprogramm im Lauf der Zeit(1841-ca.1854).

Die erste Fassung des Bauprogramms war ein ziemliches Provisorium und sah grundsätzlich nur die Herstellung einer „Prager Nordlinie“ und der Linie Mürzzuschlag-Graz vor.(3) Die Linie Gloggnitz-Semmering-Mürzzuschlag(im Anschluss an die private Linie Wien-Gloggnitz) sollte vor der Hand lediglich untersucht werden. Von Triest war noch gar keine Rede.

Im August 1842 stand sodann aber fest, dass folgende Linien hergestellt werden würden:

a)     Olmütz(= „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“)-B.Trübau-Prag-Bodenbach Grenze(= Anschluss nach Hamburg).

b)    Brünn(= „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“)-B.Trübau.(Diese Strecke wollte man ursprünglich nicht errichten!)

c)     Gloggnitz(= „Wien-Gloggnitzer-Bahn“)-Graz-Triest.

d)    Wien-Linz-Salzburg(trassiert 1842).(4)

a)     und b) wurden unter „Nördliche Staatsbahn“ gefasst, c) unter „Südliche Staatsbahn“. Für d) ist kein offizieller Name überliefert, überhaupt stellt diese Linie ein Sonderproblem dar, welchem hier noch größere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Man hatte offenbar bestimmte Bedenken, eine Bahn gegen Westen zu bauen. Riepl hatte in seinem durchaus einflussreichen Eisenbahnplan aus 1836 eine solche Linie überhaupt ausgespart.(s. Karte) Warum nur? Jedenfalls – und dies ist hier festzuhalten - brach der Staat 1841 mit der „Rieplschen Tradition“.

Der Rieplsche Eisenbahnplan aus 1836:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Norden lagen also die Gleise der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“(Wien-Lundenburg-Brünn/Olmütz) zwischen Wien und dem Staatsabschnitt, im Süden die Gleise der „Wien-Gloggnitzer-Bahn“.(s. Karte)

Die „Großprojekte“ der Ersten Staatsbahnphase(1854/58):

Copyright: Elmar Oberegger

1854, also am offiziellen Ende des Staatsbahnsystems, waren noch viele Linien unvollendet, die Fragen „Brenner-Übergang“ und „Westbahn“ ungeklärt. Unvollendet waren: Szeged-Temesvar, Zidani Most-Zagreb(erst 1855 begonnen!), Laibach-Triest-Mailand, Salzburg-Innsbruck, Bozen-Verona. Die Linie Wien-Triest wurde noch vom Staat vollendet und entsprechend eröffnet(1857).

Besonders das System der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ sollte von der neuen Verbindung mit Prag und Hamburg profitieren, seine Gleise sollten erstmals so richtig mit Leben erfüllt werden.(s. Statistik)

Die Auswirkung der „Nördlichen Staatsbahn“(eröff. 1851) auf die k.k.priv.Ferdinands-Nordbahn:

Nach: Art. „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. V.Röll, Berlin/Wien 1912 ff.

Anstieg der Betriebskilometer im Vergleich zum Anstieg des Frachtaufkommens. Man beachte v.a. die Phase von 1850 bis 1860!

Wie sehr auch der südliche Endpunkt Triest von provisorischem Charakter war, zeigt der Umstand, dass man offenbar schon 1846 mit einer Verknüpfung der „Südl. Staatsbahn“ mit der (privaten) „Venedig-Mailänder-Bahn“ spekulierte.(5) Aber erst im Zuge der 1848er-Revolution kam die Sache in Schwung: Damals war u.a. Mailand in Aufruhr und das Konzept, zukünftig in der Lage zu sein, mittels Eisenbahn schnell ein großes Kontingent loyaler Truppen im (potentiellen) Krisengebiet konzentrieren zu können, wurde höchst interessant.

1849 wird somit bereits „Venedig“ als Ende der „Südlichen Staatsbahn“ genannt.(6) Von dort aus würde sodann der Schienenstrang bis Mailand weiterzutreiben sein.(7) Angesichts der schlechten Finanzlage der dortigen „Lombardisch-venetianischen Privatbahn“(s.o., im Volksmund „Ferdinandea“ genannt) war auf jeden Fall mit einem größeren Staatsengagement zu rechnen.

Um den Eisenbahnsektor vor den „Kapitalistischen Spekulationen“ vollständig zu schützen, ging der Staat ab 1845 überhaupt dazu über, besonders finanziell notleidende „Privatbahnen“ einzulösen.

1850 wurden die Linien der „Ungarischen Centralbahn“(Budapest-Waizen, Budapest-Szolnok, Marchegg-Pressburg) verstaatlicht, und einerseits noch im selben Jahr die Verbindung Wien-Marchegg(= Ferdinands-Nordbahn 1848)-Budapest hergestellt, andererseits die Verbindung Budapest-Temesvar ins Auge gefasst. 1852 wurde die „k.k.priv. lombardisch-venetianischen Ferdinandsbahn“ verstaatlicht. Die Linie Mailand-Camerlata hatte man sich schon ein Jahr zuvor angeeignet.(s. Karte) Zur Herstellung einer lückenlos ab Wien verlaufenden „Südl. Staatsbahn“ wurde 1853 auch der Abschnitt Wien-Gloggnitz verstaatlicht.

1851 wurde mit Bayern ein „Staatsvertrag“(s. RGBl 31/1852) geschlossen, in welchem die Errichtung folgender Linien vorgesehen wurde:

a)     Wien-Linz-Passau.

b)    Salzburg-Bruck/M.(= Station der „Südl. Staatsbahn“).

c)     Über eine „Verbindungslinie“ zwischen a) und b) wollte man zukünftig noch beraten. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

d)    Salzburg-Rosenheim-München/Kufstein(durch Bayern zu errichten!)-Kufstein-Innsbruck.

e)     Bozen-Verona.

f)      Österreich verpflichtete sich, den Brenner-Übergang zwischen Innsbruck und Bozen zumindest zu „untersuchen“.

Der quantitative Aufstieg des Staatsbahnsystems ab ca. 1841 lässt sich an beigegebener Statistik ablesen:

Aufstieg und Niedergang des Staatsbahnwesens(1845-1860):

Nach: Art. „Österreichische Eisenbahnen“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, hrsg.V.Röll, Berlin/Wien 1912 ff.

Im Jahre 1854 waren bereits 994 km Bahnen von insgesamt 1433 km Eisenbahnen(ca. 70%!) „Staats-Bahnen“.(8)

Doch noch im selben Jahr 1854 wurde das „Neue Konzessionsgesetz“(14. September) veröffentlicht, welches die Abkehr vom „Staatsbahnsystem“ markiert. Damals war das „Staatliche Bauprogramm“ noch da und dort unvollständig(s.o. Karte). 

Der Staatsbahnbau ging deshalb noch bis 1858 weiter, 1855 begann man sogar noch den Hauptbahnzweig Steinbrück(Zidani Most)-Zagreb, dann wurden allerdings die neuen, großen österreichischen Privateisenbahnen konzessioniert und die Staatsbahnen zu fast 100% verkauft. 1860 gab es noch 13 km „Staatsbahn“ in Österreich(s.o. Statistik).

Technikgeschichtlich ist diese Erste Staatsbahnphase vor allem deshalb bedeutend, weil zum ersten Mal ein Hochgebirge, nämlich der Semmering, überschient wurde. Damit wurde die „Gerstnersche Gebirgsbauweise“(s.o.) also zum ersten Mal im großen Stil erfolgreich angewandt.(9)

Das Längenprofil der „Semmeringbahn“:

Aus: Art. „Semmeringerbahn“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, hrsg.V.Röll, Berlin/Wien 1912 ff.

Höchststeigung: 25 Promill.

Schwarzaviadukt der Semmeringbahn:

Aus: J.Dultinger, Erzherzog Johann, 69.

Karl Ritter v.Ghega, welcher dies ausführte, bezog sich jedoch nie auf Gerstner, sondern auf seine Erfahrungen mit der „Baltimore &. Ohio-Railroad“ in den USA.

Karl Ritter v.Ghega(1802-1860):

Aus: J.Dultinger, Die Erzherzog Johann-Bahn, Rum 1985, 59.

Victor Röll resumiert die Erste Staatsbahnphase gelungen wie folgt:

„Die Kosten der staatlichen Bahnbauten haben bis 1854 729 Mill. K in Anspruch genommen, und darf wohl anerkannt werden, daß sie sich durchaus nicht höher als beim Privatbahnbau stellten, daß diese Leistung nicht von überraschenden Überschreitungen und ungerechtfertigten Bereicherungen der Unternehmer begleitet war, sowie daß die Bauten in technischer Hinsicht mustergültig ausgeführt waren“(10).

 

3)    Zum Problem „Vorgeschichte der Westbahn(Wien-Linz-Lambach-Salzburg)“.

Wenn wir einen Blick auf den Rieplschen Eisenbahnplan aus 1836 werfen(s. Karte), so fällt auf, dass der Meister dort keine Linie von Wien nach Salzburg eingezeichnet hat.(11)

Dieser Sachverhalt wird in der Regel damit erklärt, dass man damals allgemein die Donau als Hauptverkehrsader von Wien gegen Westen betrachtete und man ferner davon ausging, dass von Linz aus weiterhin Kutsche und Fuhrwerk ihren althergebrachten Dienst tun könnten. Im Kontext des allgemein aufblühenden Eisenbahn-Gedankens erscheint dies jedoch als relativ unglaubwürdig. Und gerade Riepl war vom neuen Transportsystem höchst fasziniert.

Derselbe Riepl war aber auch mit Rothschild verbunden: Er hatte ihn einst nach England geschickt, um dort das Eisenbahnwesen zu studieren und ihn überhaupt allgemein gefördert.

Und Rothschild wiederum spielte innerhalb der „Ersten Eisenbahngesellschaft“ eine gewichtige Rolle, welches es als ihr primäres Ziel ansah, das Salz von Gmunden bis nach Budweis zu befördern. Den Transport anderer Güter und v.a. den Personenverkehr, sah man klar als Nebengeschäft an. Gerade 1836 waren Budweis und Gmunden per Schienenstrang verbunden worden(s.o.).

Indem dieser nun auch Linz und Lambach verband, und somit nach Westen deutete, wäre es eigentlich die naheliegende Aufgabe dieser Gesellschaft gewesen, eine „Salzburger Linie“ zu bauen und diese sodann auch bis Wien zu verlängern. Dies wäre insofern logisch gewesen, als das Salz aus Gmunden ja auch via Zizlau nach Wien befördert wurde.

Doch für solche Projekte interessierte man sich nicht und man soll sich dafür – wie gezeigt werden wird – auch nie ernsthaft(!) interessieren. Vielmehr wollte man das erreichte System beibehalten und vor allem schützen. Auch um den Preis, dass die Nachwelt diese Mentalität vielleicht einmal als „Idiotismus“ auslegt.

Mit dem Projekt einer „Linz-Wiener-Bahn“ hätte man sich vielleicht noch anfreunden können, da damit die Salztransporte dieser Richtung schneller vonstatten gegangen wären, aber „Salz“ nach „Salzburg“ zu bringen, das hieße ja „Eulen nach Athen tragen“.

Zu unterstellen ist also, dass Riepl es ganz bewusst unterließ, in seinen Plan – welcher 1836 schon ausgereift war - eine „Westbahn“ einzuzeichnen, um die „Erste Eisenbahngesellschaft“ nicht in unerwünschte Projekte hineinzutreiben.

Im Jahre 1838 protestierte sogar das Ausland gegen die Handhabung des Problems „Westbahn“: In der „Augsburger Zeitung“ erschien ein Artikel, in dem die aktuelle Lage kritisiert und die rasche Herstellung einer Salzburg-Wiener-Bahn gefordert wurde. In Bayern hatte man nämlich schon 1836 den Plan gefasst, eine Augsburg-München-Salzburger-Bahn zu errichten.

Doch getan wurde vor der Hand nichts.

Letztlich soll sich das alles bitter rächen. Denn in der Folge „… machte sich der Mangel einer Eisenbahnverbindung mit dem Südwesten von Deutschland besonders schmerzlich bemerkbar, da die handelspolitische Operationsfähigkeit des Landes auf dem westlichen Flügel hiedurch geradezu gelähmt war“(12), wie der renommierte Eisenbahnhistoriker Hermann Strach anmerkt.

Ganz selbstverständlich waren Donau-Schiffahrt, Kutsche und Fuhrwerk keineswegs in der Lage, die Anforderungen der Modernen Zeit zu meistern!

Die „Erste Eisenbahngesellschaft“ wollte einerseits nicht selbst bauen, verwies aber andererseits auch darauf, dass es ihr „Privilegium“ sei, den Eisenbahnverkehr zwischen Linz und Gmunden, und daher auch zwischen Linz und Lambach abzuwickeln.

Die Relation Linz-Lambach:

Copyright: Elmar Oberegger

Es ist unbekannt, wann und wo diese Formel zum ersten Mal gebraucht wurde, doch es steht fest, dass die ganze erste Staatsbahnphase von ihr durchdrungen ist. Fest steht auch, dass es sich hierbei möglicherweise nur um ein „Implizites Privilegium“, und kein „Explizites Privilegium“ gehandelt hat, die Argumentation der Gesellschaft also völlig illegitim war. Die Juristen wären also am Zug gewesen. Doch der Staat scheute den offenen Konflikt und protegierte die Gesellschaft am Schluss sogar noch indirekt. Dazu später. Ferner waren im Staatsbahnprogramm „Zwangs-Verstaatlichungen“ bekanntlich nicht vorgesehen.

Von Brisanz war das Problem Linz-Lambach vor allem deshalb, weil die Erste Eisenbahngesellschaft ganz genau wusste, dass ihre zunächst nur mittels Pferden betriebenen, und ungünstig verlaufenden Linien(so z.B. mitten durch die Stadt Wels) alsbald völlig veraltet sein würden und ohnehin irgendwann grundlegend modernisiert werden müssten. Doch das wollte man nicht. Als günstiger erschien es vielmehr, diese bei Gelegenheit zu bestem Preis zu verkaufen. Gerade das Problem „Linz-Lambach“ bot den besten Anlass für einen solchen Deal: Verkauf ja, dann aber gleich das ganze Netz

Trasse der Linz-Lambach-Gmundener-Bahn am Welser Kaiser Joseph-Platz: Links davon der nach dem Zweiten Weltkrieg aus städtebaulichen Gründen abgerissene „Semmelturm“.

Aus: K.Holter/G.Trathnigg, Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, Wels 1973, 157

Seit 1855/56 wurde die Linie Linz-Lambach(-Gmunden) per Dampf betrieben. Eine wirklich grundlegende Modernisierung fand damit aber nicht statt.

Somit musste jeder, der eine „Westbahn“ errichten wollte, wissen, dass er mit der Linie Linz-Lambach auch die Linien Linz-Budweis und Lambach-Gmunden mit-kaufen musste. Über entsprechende Verhandlungen während der Staatsbahnzeit sind wir leider nicht unterrichtet.

Der Staat hatte schon in seinem „Ersten Bauprogramm“(s.o.) die Linie Wien-Klosterneuburg-Linz-Salzburg aufgenommen. 1842 erfolgte zumindest die Trassierung. An einer (umzubauenden)Budweiserbahn und einer (umzubauenden)Gmundenerbahn war man aber überhaupt nicht interessiert. Man wollte das vorhandene Geld für wichtigere Projekte verwenden.

Wenn wir nun einen Blick auf die beigegebene Karte der „Großen staatlichen Eisenbahnprojekte“ werfen, so fallen drei besondere Problemzonen auf:

Die „Großprojekte“ der Ersten Staatsbahnphase:

Copyright: Elmar Oberegger

a)     Die Überschienung des Semmering – Diese Aufgabe wurde gemeistert!

b)    Die Überschienung des Brenner – Diese Aufgabe konnte nicht mehr in Angriff genommen werden.

c)     Das Problem „Linz-Lambach“ bzw. die „Verbindung Linz-Salzburg“. Auch hier scheiterte der Staat.

Während es sich bei a) und b) allerdings um bedeutende geographische Hindernisse handelte, so handelte es sich im Falle von c) nur um eine juristische bzw. finanzielle Hürde! Großartige Bautechnik wie etwa am Semmering war hier überhaupt nicht gefragt.

Und genau diese Hürde verzögerte die Errichtung der Westbahn zum Schaden der österreichischen Volkswirtschaft(s.o.).

Im Jahr 1851 wurde zwischen Bayern und Österreich ein „Eisenbahn-Staatsvertrag“(s. RGBl 31/1852) geschlossen, wo das Problem „Linz-Lambach“ zum ersten Mal quellenmäßig hervorschimmert, jedoch aber mit keiner Silbe direkt angesprochen wird.

Man einigte sich dort u.a. auf die Errichtung einer Passau-Linz-Wiener-Bahn und einer Linie Salzburg-Selzthal-Bruck an der Mur. Über eine „Verbindungsbahn“(siehe Vertrag I, 3) zwischen beiden Linien(!) sei aber noch zu verhandeln, heißt es kryptisch.

Ganz ohne Zweifel ist hier die Rede von der Strecke Linz-Lambach-Salzburg. Man sah sich offenbar bemüßigt, dieses Problem mit äußerster Vorsicht zu behandeln, damit nicht der Eindruck entstehe, man wolle auf die Erste Eisenbahngesellschaft irgendeinen Zwang ausüben oder ihr großartiges Unternehmen irgendwie abwerten. Andere Gesellschaften, wie z.B. die Raaber-Bahn Sinas(s.o.) behandelte man nicht derart feinfühlig, eher das Gegenteil war der Fall. Dies zeigt, welch‘ gute Beziehungen die Erste Eisenbahngesellschaft zum kaiserlichen Hof besessen haben muss!

Inzwischen(1844) hatte die „Ehrenwerte Gesellschaft“ noch dazu die Vorkonzession für eine entweder von Gmunden oder Lambach ausgehende „Salzburger Linie“ erhalten: Dass dies nur ein taktisches Manöver war, zeigt der Umstand, dass das Projekt nie mit Feuereifer verfolgt wurde. Aus der Vorkonzession wurde über die Jahre nie eine „Konzession“, der Bau selbst somit überhaupt nie begonnen. Erst 1855 wurde diese Vorkonzession für obsolet erklärt.

Konzept Linz-Lambach oder Gmunden-Salzburg der Ersten Eisenbahngesellschaft(1844):

Copyright: Elmar Oberegger

Notwendig erschien obige Taktik wohl deshalb, weil der oberösterreichische Kaufmann Anton Wurmb ebenfalls 1844 einen „Westbahn-Plan“ publizierte: Die Relation Wien-Linz sollte ebenfalls weiterhin durch die Donauschiffahrt bedient werden, von Linz aus aber sollte eine Eisenbahn nach Braunau am Inn angelegt werden. Auch so – also das Privilegium Linz-Lambach quasi umschiffend – könnte man mit Bayern in Kontakt kommen. 1845 wurde dieses Projekt jedoch vom Staat zurückgewiesen.

Wurmb ließ es sich aber dennoch nicht nehmen, sich später in der Öffentlichkeit als wichtiger „Gründervater der Westbahn“ darzustellen: 1860 publizierte er in Wels die Broschüre „Mein Anteil an der Westbahn“. Als „Ur-Vater“ der Westbahn wäre übrigens k.k.Hofbaurat Ferdinand Mayer zu betrachten, welcher schon 1815 einen Eisenbahnplan „Linz-Lambach“ vorgelegt hat.

Wäre Wurmbs Konzept umgesetzt worden, so hätte die Grundlage für eine bequeme Direttissima München-Wien bestanden und die Südlinie der Ersten Eisenbahngesellschaft, und auch Salzburg wären dadurch ins transitäre Abseits geraten.

Das Konzept Wurmb im Kontext der weiteren Entwicklung:

Copyright: Elmar Oberegger

Salzburg aber war nun einmal der beste Ausgangspunkt sowohl für die Erreichung Münchens als auch für die Erreichung von Tirol und Vorarlberg. Erst als die Westbahn Wien-Salzburg errichtet war, interessierte sich der Staat auch für die Direttissima via Braunau am Inn.(siehe zu deren Geschichte Abschnitt VI/4 dieser Arbeit)

1855 legte die Erste Eisenbahngesellschaft nun die „Maske der Bauwilligkeit“ ab, d.h. die oben erwähnte Vorkonzession wurde fallengelassen.

Fallengelassen wurden auch die Bestimmungen des Staatsvertrages aus 1851. Aus Kostengründen. Der neue Vertrag von 1856 sah lediglich die Errichtung der Linien Passau/Salzburg-Wien vor.

Schon 1854 war das „Neue Konzessionsgesetz“ erschienen, d.h. der Eisenbahnbau wurde wieder von privatem Kapital gespeist.(s.o.)

Die Konzession für die Linien Passau/Salzburg-Wien wurde 1856 an die neu gegründete „k.k.priv. Kaiserin Elisabethbahn-Gesellschaft“ vergeben. Daran war allerdings auch die Bedingung geknüpft, eine Einigung mit der Ersten Eisenbahngesellschaft bezüglich des Privilegiums Linz-Lambach herbeizuführen, andernfalls ein Staatliches(!) Schiedsgericht entscheiden würde. Über Jahre war also der Staat dem Problem „Linz-Lambach“ erfolgreich ausgewichen.(s.o.) Lösen musste es nun eine Privatgesellschaft. Am 31. Juli 1856 begann in Rekawinkel/NÖ der Bahnbau.

Die Verhandlungen zwischen den beiden Gesellschaften verliefen sehr ungünstig. So kam es schließlich in der Tat zu einer schiedsgerichtlichen Entscheidung, und zwar zugunsten der Ersten Eisenbahngesellschaft! Der Kaufpreis war am Ende horrend. Man meinte es eben gut mit der Ehrenwerten Gesellschaft. Dazu musste die Elisabethbahn auch die Gmundener- und die Budweiser-Linie mit übernehmen. Letztere war bis 1874 in eine moderne Lokomotivbahn umzugestalten. 1857 löste sich die Erste Eisenbahngesellschaft sodann selbst auf. Man konnte in der Tat mit sich zufrieden sein.

Erworben hatte die Elisabethbahn damals in der Tat nur ein „Privilegium“, denn die vorhandene Strecke Linz-Lambach war nicht zu gebrauchen(s.o.) und wurde in der Folge aufgelassen.

Die neue und die alte Bahn im Bereich Linz-Lambach(incl. Verbindungsbahnen in Linz und Lambach):

Copyright: Elmar Oberegger

1860 wurde die Linie Wien-Linz-Lambach-Salzburg endlich dem Verkehr übergeben.

 

4)     „Laibacher Sumpftrasse“ und „Franzdorfer Viadukt“. Zwei höchst bemerkenswerte technische Artefakte im Zuge der „Südlichen Staatsbahn“.

Am 9. Oktober 1849 wurde der Bau der Linie Laibach-Triest/Venedig staatlich angeordnet und umgehend in Angriff genommen.(13)

Auf ihrem Weg nach Süden musste die Eisenbahn zwei Problemstellen überwinden:

a)     Das Laibacher Moor und, durchaus damit zusammenhängend,

b)    Das Tal von Franzdorf(Borovnica).

Der „Franzdorfer Viadukt“ wurde einst als der „Schönste Viadukt Europas“(Länge: 584m) gerühmt und zu seiner Zeit höhenmäßig nur vom „Göltschtal-Viadukt“(= Sächs.StB.) übertroffen(80m vs. 38m). Heute existiert von der einstigen Pracht nur noch ein jämmerlicher Überrest. Die traurige Geschichte dieses Viaduktes soll hier u.a. kurz erzählt werden.

Überrest des Franzdorfer Viaduktes:

Copyright: Elmar Oberegger

Wie man Viadukte baute, wusste man aber längst, als eine völlig neue technische Herausforderung zu bewältigen war, nämlich die möglichst ökonomische Überwindung eines Groß-Moores. Ein solches befindet sich südlich von Laibach. Seine größte Tiefe beträgt 15 Meter, und dort findet sich erst weicher Sand, der Felsengrund liegt noch tiefer unten. Die Errichtung eines Baumstamm-Fundamentes, welches die Österreicher am Beispiel Venedigs studiert hatten, war hier also unmöglich.

Zur Vorgeschichte der „Laibacher Moor-Trasse“:

Man hatte u.a. erwogen, dieses Moor südlich und südöstlich zu umfahren. Diese Variante hätte die Strecke jedoch um fast 20 Kilometer verlängert. Auch dachte man daran, das Moor nördlich zu umfahren. Doch die notwendige Überwindung des dortigen Gebirgsgehänges hätte die Baukosten in die Höhe getrieben und die Strecke ebenfalls verlängert. Auch existierte die Idee, Moor(und Karstgebiet) überhaupt großräumig zu umfahren und eine Linie Laibach-Isonzotal-Monfalcone herzustellen. Hinsichtlich der Verbindung Wien-Mailand wäre diese Linienführung keineswegs katastrophal ungünstig gewesen, jedoch aber hinsichtlich der Erschließungsmöglichkeit der Häfen Triest und Rijeka.

So entschloss man sich eben für die Herstellung einer möglichst kurzen, schnell zum rettenden Gebirge hineilenden Sumpftrasse:

Nach weiterem, kurzem Verlauf im Gebirge war sodann das sumpfige Tal von Franzdorf(Borovnica) zu überqueren. Da dort jedoch der Sumpf relativ seicht war, könnte der entsprechende Viadukt v.a. auf Holzpfählen errichtet werden. Dazu später.

Sodann ginge es in das Karstgebirge hinein und man könnte sich wieder der üblichen Gebirgsbauweise bedienen. So war der Plan. Bis heute wird der Abschnitt „Laibach-Triest“ übrigens technikgeschichtlich unterschätzt!

Durch Moor und Karst:

Copyright: Elmar Oberegger

Skizze zum Längenprofil des – bis heute technikgeschichtlich unterschätzten - Abschnitts Laibach-Triest.

Zur publizistischen Vorgeschichte der Trassen-Errichtung im Moor schreibt der altösterreichische Eisenbahnhistoriker Hermann Strach um 1900:

„Es ist heute noch ergötzlich, die sonderbaren Ansichten, in welcher Art man den Sumpfübergang bewerkstelligen solle, zu lesen, die in der Presse jener Tage auftauchten. Unsere Ingenieure liessen aber selbst die Vorwürfe ohne Widerlegung, die man ihrem angeblich müssigem Thun entgegenschleuderte…“(14).

In der Tat gibt es verschiedene Moor-Arten und damit verschiedene technische Überwindungs-Methoden.

Besonders faszinierend ist jene technische Strategie, welche George Stephenson(1781-1848) im Zuge der „Liverpool-Manchester-Eisenbahn“(1830) in der Überwindung des berüchtigten Chat Moss(= übers. Katzenmoor?) angewendet hat. Bis heute ist diese Strecke übrigens unverändert(!) in Gebrauch. In der „Encyclopedia Britannica“ aus 1902 lesen wir im dortigen Artikel „Railway, Railways“ zur Stephensonschen Technik folgendes:

„Perhaps the most interesting case of embankment and cutting in combination is that of the crossing of Chat Moss, on the Liverpool and Manchester Railway. The moss was 4 ½ miles across, and it varied in depth from 10 to 30 feet. Its general character was such that cattle could not stand on it, and a piece of iron would sink in it. The subsoil was composed principally of clay and sand, and the railway had to be carried over the moss on the level, requiring cutting and embankment for upwards of 4 miles. In forming 277,000 cubic yards of embankment 670,000 yards of raw peat were consumed, the difference being occasioned by the squeezing out of the water. Large quantities of embanking were sunk in the moss(= Hervorhebung d.Verf.), and, when the engineer, Stephenson, after a month’s vigorous operations, had made his estimates, the apparent work done was sometimes less than at the beginning of the month. The railway ultimately was made to float on the bog. Where embankment was required drains about 5 yards apart were cut, and when the moss between them was dry it was used to form the embankment. Where the way was formed on the level drains were cut on each side of the intended line, and were intersected here and there by cross drains, by which the upper part of the moss became dry and firm. On this surface hurdles were placed, 4 feet broad and 9 long, covered with heath, upon which the ballast was laid“.

Auch Stephenson wollte also ursprünglich aufschütten, und sodann auf die fertige Schüttung Eisenbahndamm und Geleise anbringen. Doch das Moor besaß eine Flußrichtung, welche keine innere Aufschüttung zuließ. So legte er das Moor im Bereich der Strecke durch Drainagegräben trocken, fügte sodann eine hölzerne Gitterroste ein und legte darauf Reisig. Darauf kamen Schotter und Sand. Auf dieser Grundlage kam sodann der Gleiskörper zu liegen - Ein technisches Meisterwerk! Und um es an dieser Stelle nochmals zu betonen: Bis heute in Gebrauch!

Liverpool-Manchester-Eisenbahn(George Stephenson, 1830): Die Trasse im berüchtigten „Chat Moss“.

Int.Eisenbahnarchiv LKP

Alpenmoore, wie sie etwa im Ennstal oder eben südlich von Laibach vorkommen, besitzen jedoch keine Flußrichtung, sondern sind vom Gebirge eingegrenzt. Man kann sich diese vorstellen wie eine mit Apfelmus gefüllte Schüssel. Somit war es möglich, das Laibacher Moor mittels Schüttung zu überwinden. Und diese rohe Methode, die wohl manchem Zeitgenossen als phantasielos erschien, ergriff man auch. Josef Dultinger schreibt dazu:

„Als Baumethode zur Herstellung des Eisenbahndammes wählte man  Bruchstein- und Grobschotterschüttungen, die von beiden Dammenden aus über Kopf vorgenommen wurden. Um das seitliche Ausufern des versinkenden Schüttmaterials zu verhindern, wurden beiderseits des künftigen Dammes in einem Abstand von je 5,7 Metern vom Dammfuß Steinwürfe angelegt, die unter Verwendung großer Bruchsteine bis zur tragfähigen Bodenschichte reichten. Erst als dieser Zustand hergestellt war, begann man mit der eigentlichen Schüttung des Eisenbahndammes. Das Schüttmaterial versank so lange, bis es tragfähigen Boden erreicht hatte. Für den Bau des Eisenbahndammes, dessen Höhe über Terrain 3,8 Meter betrug, waren etwa 690.000 Kubikmeter Schüttgut erforderlich, das durch Felssprengungen südlich von Laibach gewonnen wurde. Diese Riesenkubatur mußte in mühevoller Arbeit mit Pferdefuhrwerken herangeschafft werden. Die Dammschüttung dauerte bis zum Jahre 1856!“(15)

Die Bauarbeiten im Bereich Laibach-Triest/Venedig waren offiziell 1850 begonnen worden, 1857 wurde die Strecke Wien-Laibach-Triest eröffnet. Nur ein Jahr(!) vor dieser Eröffnung kamen also die Bauarbeiten im Moor zum Abschluß.

Altes, bearb. Bild zur Trasse im Laibacher Moor:

Copyright: GDÖU I/1, 286. Bearb. d. Verf.

Die Trasse eilt gerade auf das Gebirge vor Franzdorf/Borovnica zu. Die „Häuschen“ im Hintergrund stellen (hölzerne) Brückenanlagen über die alte und neue Ljubljanica dar.

Damals war auch der berühmte „Franzdorfer Viadukt“ bereits vollendet. Zur Baugeschichte schreibt Dultinger:

„Der Bau dieses Viaduktes erforderte 32.000 Kubikmeter Bruchsteinmauerwerk und ebensoviel Quadermauerwerk. Für die Herstellung der Ziegelgewölbe wurden fünf Millionen Stück handgeschlagene Ziegel verwendet. Wegen des schlechten Untergrundes mußten alle Pfeiler auf Pfahlroste aus Eichenholz gestellt werden. Nur die Widerlager des Viaduktes konnten auf Fels gestellt werden“(16).

Altes, bearb. Bild zum berühmten „Franzdorfer Viadukt“:

Copyright: GDÖU I/1, 289.

Eines musste hierbei aber klar sein: Die eingearbeiteten Baumstämme würden vom Moor nur so lange konserviert, d.h. so lange tragfähig sein, solange es nicht weiter austrocknet bzw. trockengelegt wird.

Nach 1918 war der Viadukt Teil des jugoslawischen Netzes und wurde anlässlich des „Deutschen Einmarsches“ von 1941 in die Luft gesprengt. Umgehend wurde er durch eine Behelfsbrücke ersetzt, welche jedoch dann 1944 - als die alliierten Luftangriffe sich verstärkten - unpassierbar wurde. Vor diesem Hintergrund wurde im Tal von Borovnica(Franzdorf) ein großartiges Umtrassierungs-Projekt in Gang gesetzt, welches erst unter Tito zu einem bis heute gültigen Abschluss fand. Der Bahnhof von Borovnica – zuerst auf einem Karstausläufer, d.h. in der Höhe errichtet - musste in der Ebene neu hergestellt werden.

Das Problem der Umtrassierung im Bereich Franzdorf(Borovnica):

Copyright: Elmar Oberegger

Die Lage vor Borovnica heute: Die alte Trasse i.R. Triest ist bereits maßgeblich angestiegen, um den Viadukt zu erreichen. Doch dieser existiert nicht mehr. Die neue Trasse, welche das Tal von Borovnica umrunden soll, befindet sich darunter und ist seit 1962 elektrifiziert.

Copyright: Elmar Oberegger

Der Überrest des Franzdorfer Viaduktes(s.o.) ist heute eine historische Gedenkstätte. Deren Erhalt für die Zukunft ist angesichts der schwierigen Untergrundverhältnisse kein leichtes Unterfangen.

 

5)    Ing. Luigi Negrelli in Oberitalien(1848-1855). Der engagierte „Wiener Staatsbahn-Kommissär“.

Im März 1848 war in Österreich die Revolution ausgebrochen.(17) In „Lombardo-Venetien“(Oberitalien) war damals das Netz noch sehr bescheiden ausgeprägt: Nur die Linien Venedig-Vicenza und Mailand-Monza/Treviglio waren errichtet(s. Karte).

Das oberitalienische Netz 1848:

Copyright: Elmar Oberegger

Feldmarschall Radetzky hatte im Zuge der Revolutionsereignisse Mailand zunächst räumen müssen, brachte jedoch die Lage sodann wieder relativ schnell unter Kontrolle. Allein die Lagunenstadt Venedig blieb vorerst unbesiegt und führte vorerst ihr eigenes Regime.

Für das junge oberitalienische Eisenbahnwesen war v.a. der Umstand fatal, dass die Venezianer den gesamten Fahrpark(Loks und Waggons) über die Lagunenbrücke(eröffnet 1846)(s.o.) in die Stadt gebracht hatten und diese Verbindung sodann durch Sprengung(!) unbrauchbar machten. Auch anderswo wurden Dämme und Brücken zerstört oder schwer beschädigt.

Der Eisenbahnverkehr lag also aufgrund dieser tragischen Entwicklung zunächst völlig still…

Angesichts dessen entschloss sich Wien dazu, einen „Staatsbahn-Kommissär“ ins Krisengebiet zu schicken, der die Dinge wieder ins Lot bringen sollte. Gefordert wurde:

a)     Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs.

b)    Forcierung des Neubaus.

Die Wahl fiel schließlich auf Ing.Luigi Negrelli, damals gerade „Sektionschef“ im „Ministerium für öffentliche Bauten“.

Luigi(Alois) Negrelli(1799-1858):

Aus: WIKI GEMEINFREI

Bekannt ist er dem durchschnittlichen Österreicher heute nur durch seine Rolle im Zusammenhang mit der Errichtung des Suez-Kanals. Seine eisenbahngeschichtliche Bedeutung geht hierbei leider unter. Er trassierte u.a. als erster die Linie Innsbruck-Kufstein und errichtete im Dienst der Ferdinands Nordbahn die wichtige Linie Lundenburg-Olmütz.

Am 6. September wurde er in Mailand bei Feldmarschall Radetzky vorstellig, und beide Männer soll in der Folge eine tiefe Freundschaft verbinden.

Negrelli beschaffte zunächst einen „Notstands-Fahrpark“ von 4 Lokomotiven und 20 Waggons. Ende 1848 rollten die Züge schon wieder von Vicenza bis Mestre, also bis vor die Tore des Feindes.

Er forcierte aber auch den Neubau, welcher vor der Hand auf Kosten der „k.k.priv. lombardisch-venetianischen Ferdinandsbahn“(= „Ferdinandea“) ging. Am 2. Juli 1849 wurde die Strecke Vicenza-Verona eröffnet.

Venedig musste sich am 22.August 1849 schließlich der habsburgischen Truppenmacht ergeben.

Aufgrund seiner Leistungen wurde Negrelli in der Folge zum Chef der „Ober-Baudirektion Verona“ befördert. Und er forcierte weiterhin den Neubau. Zunächst einmal aber wurde die Lagunenbrücke nach Venedig repariert. 1852 soll die „Ferdinandea“ schließlich verstaatlicht werden.(s.o.)

Bereits 1850 begann Negrelli mit den Vorarbeiten für die „Südtiroler Staatsbahn“ von Verona bis Bozen. Ein technisch nicht unproblematisches Projekt! Zur Eröffnung gelangte diese Bahn jedoch erst nach seinem Tod, und zwar 1859, unter der Ägide der privaten „Südbahn-Gesellschaft“.

Mit der Eröffnung der Linie Mestre-Casarsa(1855) war der Schienenstrang bereits in Richtung „Südlicher Staatsbahn“ gerückt worden. Wie oben bereits gesagt wurde, erachtete der Hof besonders angesichts der 1848er-Revolution die Errichtung einer „Militär-Linie Wien-Mailand“ als geradezu zwingend notwendig. Dass dieses Konzept nie umgesetzt werden konnte, wurde ebenfalls oben bereits erwähnt.

Die Ausgestaltung des Netzes unter Negrelli(1848-1855):

Copyright: Elmar Oberegger

Negrelli fiel 1855 schließlich einer gemeinen Intrige zum Opfer und musste nach Wien zurückkehren. Obwohl er schließlich von Feldmarschall Radetzky persönlich rehabilitiert wurde, konnte er nicht nach Oberitalien zurückkehren.

1858 verstarb er in Wien…

 

6)    Zwei Kuriositäten: Die „quasi importierte ‚Krakau-Myslowitzer Bahn‘“ und das Fiasko „Banater Montanbahn“.

Innerhalb der Staatsbahn-Phase gab es auch Kuriositäten, so die „Krakau-Myslowitzer-Bahn“(= landläufig „Krakau-Oberschlesische Bahn“) und die „Banater Montanbahn“.(18)

An der ersten Bahn ist interessant, dass sie quasi per „Annexion“ bzw. „Import“ zu Österreich kam und zur „Ersten Eisenbahn Galiziens“ wurde; an der zweiten Bahn ist interessant, dass man nicht in der Lage war, von vorne herein ein klares Bau- und Betriebskonzept zu erstellen, weshalb diese sodann erst unter privater Ägide(= „k.k.priv. Österreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft“) wirklich vollendet werden konnte.

Im Zuge des „Wiener Kongresses“(1815) wurde der überaus kleine „Freistaat Krakau“ geschaffen und war alsbald international als verruchtes polnisches Nationalisten-Nest verschrien.

1844 nahm der Krakauer Stadtsenat die Herstellung einer Eisenbahn bis Myslowitz(samt Zweig nach Granica) in Angriff.

Die Bahn von Krakau bis Myslowitz(mit Granicaer Zweig):

Copyright: Elmar Oberegger

Als im Jahre 1846 ruchbar wurde, dass in Krakau ein „Aufstand zur Wiederherstellung Polens“ vorbereitet würde, schritten die Großmächte(Österreich, Preußen, Rußland) ein und okkupierten das Gebiet.

Erst 1849(s. Int. Übereinkunft vom 6. November d.J.) wurde schließlich bestimmt, dass Krakau per Annexion zu Österreich kommen solle.

Damit gingen auch die zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten Linien der „Myslowitzer-Bahn“(Krakau-Myslowitz 1847, Granicaer Zweig 1848) auf Österreich über. 1850 erfolgte die Verstaatlichung.

Ins österreichische Eisenbahnsystem eingegliedert wurde diese Myslowitzer-Bahn schließlich durch die Bahnbauten Oderberg-Oswiecim(= priv.Ferdinands-Nordbahn) und Oswiecim-Trzebinia(= Staatsbahn). Ab 1856 existierte also endlich eine inländische Eisenbahnverbindung Wien-Krakau(via Oderberg).

Zu erwähnen ist, dass unter der Ägide der Staatsbahn der Schienenstrang von Krakau aus bis ins östlich gelegene Debica vorgetrieben wurde(samt Zweigbahnen).

Nun zum zweiten Kuriosum:

Das Banat war 1718 durch Prinz Eugen zu Österreich gekommen. Ein großartiges „Aufbauprogramm“(bes. Kolonisation) folgte.

Im Jahre 1790 machte der deutsche Holzfäller Mathias Hammer in der Gegend von Steierdorf-Anina eine folgenschwere Entdeckung:

Er fand Steinkohle von bester Qualität. Die Hauptader wurde jedoch erst zwei Jahre später freigelegt. Auf der Seite des Staates entstand schließlich die Idee, dieses Vorkommen auszubeuten zu lassen: Vielerlei Bergleute aus dem ganzen Land wurden zu diesem Zweck herbeigerufen, doch es waren letztlich die „Steiermärker“, welche dem Ort „Steyerdorf“ bzw. „Steierdorf“ den Namen gaben.

1845 kam es zum Beschluss, dieses Vorkommen auf moderne Weise auszubeuten.

1846 wurde die Frage des „Abtransports“ besprochen – Die Kohle musste unbedingt an die Donau gebracht werden. Folgendes Konzept wurde schließlich akzeptiert:

a)     Errichtung eines ca. 500 Meter langen Tunnels zwischen Lisava- und Theresiental zur Herablassung der Kohle.

b)    Errichtung einer Lokomotiv-Eisenbahn von Basiasch an der Donau bis Lisava.

c)     Errichtung einer Pferdeeisenbahn von den Gerlister Gruben bis zum Anfang der Lokomotivbahn. Dafür hatte man sich deshalb entschieden, weil das Terrain ungünstig war und Steigungen per Pferdetraktion(= „Step by Step-System“) leichter bewältigt werden könnten. Dass dies durchaus nicht zun 100% mit dem damaligen „Stand der österreichischen Eisenbahntechnik“ übereinstimmte, liegt auf der Hand.

Schon 1848 sollte das Projekt vollendet sein: Doch schon kurz nach dem Spatenstich im Jahre 1847 brach unter den Arbeitern eine schwere Typhus-Epidemie aus. Dazu kam dann noch die „1848er-Revolution“. Die Bauarbeiten ruhten sodann bis 1850.

Im Jahre 1851 ließ man sodann das „Projekt Pferdebahn“ offenbar angesichts des „Ghegaschen Lokomotiv-Wettbewerbs am Semmering“ völlig fallen und trachtete danach, eine durchgängige Lokomotiv-Eisenbahn anzulegen. Größere Steigungen seien also – so die Erkenntnis – auch mittels Lokomotiven zu bewältigen.

Das Projekt „Banater Montanbahn“:

Copyright: Elmar Oberegger

1854 gelang es zumindest, den Abschnitt Basiasch(Donau)-Orawitza zu eröffnen. Doch bis „Steierdorf-Anina“ kam man nicht mehr.

1855 ging die Steyerdorfer Linie - gemäß des Konzessionsgesetzes von 1854(s.o.) – an die k.k.priv. Staatseisenbahn-Gesellschaft.

Der erste Schritt dieser Gesellschaft bestand darin, die erworbene Linie für den Personenverkehr freizugeben. Folgende Stationen wurden gegründet: BASIASCH, Weisskirchen, Jassenowa, Jam, Rakasdia, ORAWITZA.

Sodann begann man – quasi abseits der Ruinen des alten, unvollständigen Pferdebahn-Projektes – damit, die Lokomotiv-Verbindung nach Steierdorf-Anina herzustellen.

Der unvollendete Pferdeeisenbahn-Tunnel(re.) und der neue Lokomotiv-Tunnel:

Int.Eisenbahnarchiv LKP

 

Trassenpartie bei Lisava:

Int.Eisenbahnarchiv LKP

Angesichts dessen ist es nur allzu verständlich, dass die „Banater Montanbahn“ im regionalen Volksmund schließlich „Banater Semmeringbahn“ genannt wurde.

1863 war endlich die Lokomotiv-Verbindung Steierdorf-Basisch vollendet.

Der Staat hatte zwar den „Semmering“ überwunden – Im Banat jedoch stieß er eigenartigerweise  an seine Grenzen!

 

7)    Anmerkungen.

1)     Vgl. Victor RÖLL: Eisenbahngeschichte Österreichs in Grundzügen(1915). –Sattledt 2009, S. 6.

2)     Siehe zu den folgenden Ausführungen Hermann STRACH: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1867. In: GdÖU I/1, S. 73 ff. Hier: S. 216 ff.; RÖLL a.a.O., S. 7 ff.

3)     Die folgenden Ausführungen fußen auf STRACH a.a.O., S. 216 ff.

4)     Siehe Hofkanzleidekret vom 23. Dezember 1841. Dort wurde es sogar als „Projekt No. 2“ verzeichnet! Vgl. STRACH a.a.O., S.447 u. S. 284.

5)     Vgl. STRACH a.a.O., S. 249.

6)     Vgl. STRACH a.a.O.,S. 281. Triest war also nur relativ kurz „exklusiver Endpunkt“ der Südlichen Staatsbahn.

7)     Das Projekt blieb allerdings bis 1859(„Schlacht von Solferino“) unrealisiert. Siehe zur territorialen Ausdehnung Österreichs bis 1859 die Karte in IV/6 dieser Arbeit.

8)     Siehe RÖLL a.a.O., S. 9.

9)     Siehe dazu v.a. STRACH a.a.O., 92; Bruno ENDERES: Die „Holz- und Eisenbahn“ Budweis-Linz. Das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. –Berlin 1926.(Hier zitiert nach der Ausgabe 2007)

10)            RÖLL a.a.O., S. 9.

11)            Siehe zu diesem Abschnitt grundlegend Elmar OBEREGGER: Zur Vorgeschichte der „Westbahn“ von Wien nach Salzburg. 1815-1856. –Sattledt 2008.

12)            STRACH a.a.O., S. 447.

13)            Siehe zum folgenden Abschnitt Elmar OBEREGGER :  Eisenbahngeschichte Krains in Grundzügen. –Sattledt 2010, S. 11 ff.

14)            STRACH a.a.O., S. 281.

15)            Josef DULTINGER: Die Erzherzog Johann-Bahn. –Rum 1985, S. 78.

16)            DULTINGER a.a.O., S. 83 ff.

17)            Siehe zum folgenden Abschnitt Elmar OBEREGGER:  Ing.Luigi Negrelli(1799-1858). Seine Bedeutung im Kontext der österreichischen Eisenbahngeschichte. Eine Standortbestimmung. –Sattledt 2009 ,S. 12 ff.

18)            Vgl. dazu Elmar OBEREGGER: Kurze Eisenbahngeschichte Galiziens. Von den Anfängen bis 1914. –Sattledt 2010, S. 5ff.; Elmar OBEREGGER: Das Banat – Keimzelle des heutigen rumänischen Netzes. Beitrag zum Jubiläum „160 Jahre Eisenbahn in Rumänien“. –Sattledt 2007, S. 5 ff.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2011.