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JEDEME DO LINCE!

Schlaglichter auf die Geschichte der „Oberösterreichischen Tschechen“.

Von den Anfängen bis zur heutigen Zeit.

 

I: Kritik an der oberösterreichischen Landesausstellung „Alte Spuren-Neue Wege“(2013).

Wenn man den Katalog zur oberösterreichischen Landesausstellung 2013 durchsieht, so fällt auf, dass man sich dort in der Tat eingehend mit dem „Völkermord“ an den „Böhmer-Deutschen“(1945/46) beschäftigt, und dies teils sogar in englischer Sprache.(1)

Der Positive Aspekt, dass in Oberösterreich schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts Tschechen friedlich leben, und das Land v.a. in wirtschaftlicher Hinsicht bereichert haben, wurde jedoch nicht beachtet.

Allein der Journalist Martin Dunst von den Oberösterreichischen Nachrichten hat in seinem höchst gelungenen Artikel anlässlich der  o.ö.Landesausstellung auf diesen Umstand hingewiesen.(2)

Es soll nun das Problem des vorliegenden Beitrages sein, dieses Thema weiter zu erhellen.

„Tschechen“ kamen zuallererst vor dem Hintergrund des Bauprojektes „Budweiser Pferdeeisenbahn“ ins Land.

Diese Eisenbahn wurde dann nach ihrer Fertigstellung(1832 bis „Urfahr-Linz“, 1836 bis zur „Salzaufschütt“ in Gmunden) zum bedeutendsten sozio-ökonomischen und somit auch „kulturellen Korridor“ zwischen Böhmen und Oberösterreich. Erst der „Eiserne Vorhang“ soll ihre Bedeutung nachhaltig beschneiden. Heute ist diese wieder vorhanden, allein der mangelnde Ausbau behindert eine volle Entfaltung. Die „Straße“ erscheint als wichtiger. Eine schlichte politische Entscheidung

Es ist wirklich hocherstaunlich und gleichzeitig tragisch, dass man der Geschichte der Pferdeeisenbahn im Katalog einer Landesausstellung, die sich „Alte Spuren – Neue Wege“ nennt, viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkt(e).

Nicht ein einziger Aufsatz beschäftigt sich direkt mit Geschichte und Bedeutung dieser Linie. Im Sandgruberschen Beitrag –  dessen wissenschaftliche Qualität nachgewiesenermaßen in Frage steht – wird das Thema nur gestreift.(3)

Dazu kommt noch, dass man keinerlei Fotos der wirklich stattlichen Überreste(= „Alte Spuren“!) dieser Bahn im Bereich Staatsgrenze bei Edlbruck-Kirche Maria Schnee zeigt(e).(4)

Schon im Jahre 1977 hat der oberösterreichische Zeithistoriker Harry Slapnicka sein Interesse dem Problem „Tschechen in Oberösterreich“ zugewandt.(5) Sein Aufsatz ist jedoch inhaltlich relativ unstrukturiert und weist teilweise sogar Missverständnisse auf. Im vorliegenden Beitrag soll das Problem deshalb klarer und strukturierter aufgearbeitet werden.

 

II: Tschechen in Oberösterreich – Gestern und heute. Statistisches.

Bischof Dr. Franz Doppelbauer(1845-1908) gab im November des Jahres 1903 im oö.Landtag in seiner Funktion als „Abgeordneter“ bekannt, dass die ersten Tschechen – welche er offiziell mit „Böhmen“ bezeichnet(6)schon im Jahre 1825 ins Land gekommen seien, und zwar im Zusammenhang mit der Errichtung der Budweiser Pferdeeisenbahn.(7) Zu dieser Eisenbahn noch später.

Bischof Dr. Franz Doppelbauer(1845-1908):

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Für das Jahr 1852 liegen bereits genauere statistische Angaben vor.(8) Man zählte in der Stadt Linz 1.171 „Tschechen“. Nach Berufen gegliedert sieht die Lage wie folgt aus:

1)    Fabrik-Arbeiter/Arbeiter: 510

2)    Schneider: 229

3)    Schuster: 137

4)    Eisenbahner: 136

5)    Tischler: 79

6)    Weber: 40

7)    Schlosser: 30

Dominant sind hier also ganz eindeutig die „Arbeiter“, nicht die „Professionisten“ bzw. die „Eisenbahner“.

Da die „Kommunikation“ dieser Arbeiter mit dem „Deutschsprachigen Umfeld“ naturgemäß beschränkt war, wodurch das Erlernen der deutschen Sprache erschwert war, haben wir es hier also offenbar mit dem „Reinen nationalen Kern“ der oberösterreichischen Tschechen der damaligen Zeit zu tun.

Alle anderen, etwa die Schneider, mussten aus rein ökonomischen Gründen mit dem deutschen Umfeld(also v.a. der „Kundschaft“) gut kommunizieren können, weshalb der „Umstieg zum Deutschtum“, also die „Assimilierung“ in der Folge massiv erleichtert war. Der „Nachname“ spielte hierbei jedenfalls – wie wir wissen – gar keine Rolle!(9) Was für Schneider, Tischler usf. in ökonomischer Hinsicht galt, galt für die „Eisenbahner“ in amtlicher Hinsicht. Der tschechische Arbeiter jedoch – wie von jedem „Arbeiter“ verlangte man von ihm v.a. „industrielle Arbeitsleistung“ – dürfte vom deutschen Umfeld eher abgeschottet in „Communities“ gelebt haben.

Karel Gott – Ein „Echter Tscheche“(geb. 1939 in Pilsen):

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Die „Deutschen“ stellten zuletzt den Papst. GOTT war und ist aber ein TSCHECHE!

Gemäß der Daten der Volkszählung von 2001(10) lebten gemäß der Kategorie „Tschechen als österreichische Staatsbürger“ noch 355 Tschechen in Linz. Dies bedeutet zwar einen massiven Rückgang im Vergleich zu 1852(s.o.), die Zahl ist aber dennoch beachtlich.

Für das gesamte Oberösterreich sind folgende Daten überliefert:(11)

1858: ca. 2000

Diese Zahl lässt den Schluss zu, dass außerhalb von Linz(1852: 1.171) nur wenige Tschechen lebten.

1890: 3.709

Hierbei ist zu beachten, dass man damals bereits die allgemeine und ungenaue statistische Kategorie „böhmisch-mährisch-slowakisch“ benutzte, also auch eventuell vorhandene Mährer und Slowaken mitgezählt worden sind. Ob es diese jedoch in Oberösterreich wirklich jemals gab, ist höchst ungewiss.(12)

1900: 3.535

Ebenfalls noch unter der statistischen Kategorie „böhmisch-mährisch-slowakisch“.

1910: 1.953

Hier ist nun ganz eindeutig von „TSCHECHEN“ die Rede. Die ethnische Zusammensetzung Oberösterreichs stellte sich damals insgesamt wie folgt dar:(13)

99,7 % Deutsche

0,2 % Tschechen

0,1 % Andere

Diese „Anderen“ bestanden aus:

Polen, Ruthenen, Slowenen, Italiener und Ladiner.

Von „Mährern“ oder „Slowaken“ ist keinerlei Rede. Entweder sind diese inzwischen rückgewandert oder es hat sie in Oberösterreich ohnehin nie gegeben.

Obwohl die obigen Zahlen aufgrund der Kategorie „böhmisch-mährisch-slowakisch“(bis 1910) etwas problematisch sind, so kann man wohl dennoch von einem massiven Rückgang der Tschechen in Oberösterreich zwischen 1890 und 1910 ausgehen. Ihre Zahl fiel von 3.709 im Jahr 1890 auf 1.953 im Jahr 1910. Der Verlust ist also mit 1.756 zu beziffern.

Worauf ist dieser Schwund nun zurückzuführen? Dazu ein paar Erklärungsversuche:

a)     Die Tschechen sind in dieser Zeit rückgewandert. Eine Erklärung, die nicht völlig unmöglich ist. Quellen hierzu konnten hierzu jedoch nicht gefunden werden.

b)    Es fand in Oberösterreich eine „Ethnische Säuberung“ statt. Eine solche Aktion ist jedoch quellenmäßig nirgends überliefert.

c)     Ein „Assimilierungs-Prozess“ hatte stattgefunden.

Der Erklärungsversuch c) ist wohl der plausibelste von allen. Es ist einerseits ganz allgemein davon auszugehen, dass tschechische Frauen deutsche Männer heirateten und damit auch offiziell „deutsch“ wurden. Andererseits dürfte es genügend Menschen gegeben haben, welche sich aufgrund eines geplanten sozialen Aufstiegs für „deutsch“ erklärten. Wie wir noch sehen werden, war das „Oberösterreichische System“ geradezu „ur-deutsch“ orientiert und jemand, der sich als „Tscheche“ deklariert, hätte Schwierigkeiten gehabt, etwa „Beamter“ oder „Journalist“ zu werden. Wahrscheinlich ging diese Art der „Assimilierungs-Bewegung“ in erster Linie von den Professionisten(s.o.) bzw. deren Nachkommen aus. Daneben wäre aber auch der Fall denkbar, dass „Deutsche Arbeiter“ eine Tschechin zur Frau nahmen, und diese ihre alte Identität offiziell aufgab. Wahrscheinlich spielte sich diese Assimilierung v.a. in der Stadt ab, wo aufgrund der dortigen relativen Anonymität „nationale Schranken“ schon immer leichter zu überwinden waren, als am Land.

Zu betonen ist, dass es sich im Falle der obigen Ausführungen nur um ein theoretisches Modell handelt. „Harte Fakten“ fehlen.

Abschließend ein Blick auf die Ergebnisse der Volkszählung von 2001 gemäß der Kategorie „Tschechen als österr. Staatsbürger“:(14)

 

a)    Gesamtanzahl der Tschechen in Oberösterreich:

1.284

Der Rückgang seit 1910 beträgt also nur 669 Personen.(15)

Sie sind wohl noch immer unter uns!

Copyright: Elmar Oberegger

In der Stadt Wels etwa 80 Menschen(Stand 2001). Einen „Tschechischen Verein“ o.ä. gibt es jedoch nicht.

 

b)    Die Statutar-Städte.

Linz: 355

Wels: 80

Steyr: 54

 

c)     Die Bezirke(Aufzählung nach Häufigkeit).

Linz-Land: 221 + Urfahr-Umgebung: 56 = insg. 277

Gmunden: 101

Vöcklabruck: 101

Perg: 54

Freistadt: 52

Braunau am Inn: 50

Steyr-Land: 41

Wels-Land: 36

Ried i. Innkreis: 32

Rohrbach: 18

Kirchdorf a.d. Krems: 13

Grieskirchen: 9

Schärding: 7

Eferding: 4

Der weitaus größte Teil der oberösterreichischen Tschechen lebt also in der Stadt Linz und im Raum Linz(= Bezirke Linz-Land und Urfahr-Umgebung). Wahrscheinlich hängt dies mit dem – insgesamt betrachtet – hohen Industrialisierungsgrad dieser Zone zusammen.

Blickt man nun auf die obigen Bezirkszahlen, so könnte man in der Tat den Eindruck gewinnen, dass ein Zusammenhang zwischen „Tschechen“ und „Industrie“ besteht. Dies ließe den Schluss zu, dass es v.a. der „Tschechische Arbeiter“ ist, welcher dem „Tschechentum seiner Familie“ bis in die jüngste Zeit treu geblieben ist. Alle anderen hätten sich „assimiliert“, um sozial aufzusteigen. Bereits oben wurde darüber gesprochen.

Ein „Bruch“(s.o.) passiert in obiger Aufstellung in der Tat zwischen Ried i. Innkreis(32) und Rohrbach(18). Ab Rohrbach wird die Anzahl der Tschechen immer geringer. Eferding weist gar nur 4 Personen auf.

Freistadt würde sodann aber einen Sonderfall darstellen: Dort gibt es (traditionell) nicht viel Industrie und es wäre zu vermuten, dass hier die räumliche Nähe zur alten Heimat maßgeblich ist. Die Frage wäre dann aber, warum es in Rohrbach so wenig Tschechen gibt. Einbeziehen müsste man in diese Überlegung aber auch das „Berufs-Pendlertum“. Die Frage also, wieviel Tschechen aus Freistadt, Perg oder Rohrbach in den Raum Linz pendeln, wäre durchaus interessant. Ferner die Frage, wo deren Vorfahren ursprünglich gelebt haben.

Leider existieren keine „Harten Fakten“ zum Zusammenhang „Tschechen und Industrie“. Obige Ausführungen bleiben hypothetisch.

Fest steht aber: Wer in Oberösterreich eine größere Karriere machen wollte (und will?) fährt schlecht, wenn er sich offen und stolz zu seinem „Tschechentum“ bekennt.

Eine Ausnahme stellen hier vielleicht Sprachlehrer dar oder Menschen, welche sich nach 1968(„Prager Frühling“) in Oberösterreich angesiedelt haben, somit als „brave Antikommunisten“ gelten.

Es gibt jedoch keine Person des öffentlichen Lebens(Politiker, Journalisten etc.) in Oberösterreich, welche stolz und offen über ihre etwaigen tschechischen Wurzeln spricht.

 

III: Das erstmalige Auftreten von tschechischen Arbeitern in Oberösterreich. Großbaustelle „Budweiser Pferdeeisenbahn“. Alles begann 1825…

Im Jahre 1825 wurde im böhmischen Nettrowitz der Spatenstich für die „Pferdeeisenbahn Budweis-Mauthausen“ durchgeführt.(16)

Deren Sinn bestand darin, den Salztransport vom Salzkammergut nach Böhmen im Bereich Donau-Budweis zu modernisieren. Später entschied man sich aus verkehrsstrategischen und ökonomischen Überlegungen heraus für Urfahr als Endpunkt(s. kais. Genehmigung vom 10. Oktober 1830) und noch später dazu, die Bahn bis zur „Bürgerlichen Salzaufschütt Gmunden“ zu verlängern. Die Eröffnung des Nordabschnitts Budweis-Urfahr fand 1832, die Eröffnung des Südabschnitts 1836 statt.

Der Bahnhof „Urfahr-Linz“ – Endpunkt des nördlichen Abschnitts der Pferdeeisenbahn:

Aus: LTP, UB 21 (1904)

Seit dem „Großen Umbau der Pferdeeisenbahn“(1869-1873) laufen die Budweiser Züge vom Linzer Hauptbahnhof aus. Der Bahnhof in Urfahr wurde längst abgerissen.

Bis zum Jahr 1827 wurde das erste Teilstück von Budweis bis zur „Edlbrucker Schlucht“ in Oberösterreich eröffnet. Kurze Zeit danach nahm man diese Eröffnung allerdings wieder bis zum böhmischen Trojern zurück.(s. Karte)

Das erste Teilstück der Budweiser Pferdeeisenbahn(1827):

Copyright: Elmar Oberegger

Für unseren Zusammenhang ist nun interessant, dass im Zuge der Errichtung dieses Teilstücks(1825-1827) die ersten tschechischen Arbeiter auf oberösterreichischem Gebiet tätig waren.(17)

Die „Großbaustelle Pferdeeisenbahn“ blieb den Tschechen dann noch bis 1832 bzw. 1836 erhalten.

Als diese Bahn dann vollendet war, stellte sie – trotz ihrer Baumängel – den modernsten und wichtigsten sozio-ökonomischen und kulturellen Korridor zwischen Böhmen und Oberösterreich dar. Jene Tschechen, welche nach Oberösterreich auf Arbeit gingen, konnten dieses Verkehrsmittel benutzen.

Personentransport auf der Pferdeeisenbahn:

Copyright: Elmar Oberegger

Wagen 1. und 2. Klasse. „Massentransporte“ waren für die Nordstrecke eigentlich unüblich. Diese Skizze fußt auf einer Darstellung im Katalog der oö.Landesausstellung „Kohle &. Dampf“(S. 253).

Aus strukturgeschichtlicher Sicht ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass die Verkehrsverbindungen Oberösterreichs in seine übrigen Nachbarländer(Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Bayern) über lange Zeit viel schlechter waren als die Verbindung nach Böhmen. Erst 1860 kam die „West-Bahn“(Wien-Linz-Salzburg) zustande, die direkte Verbindung nach Steiermark(Pyhrnbahn) wurde gar erst 1906(!) eröffnet.

Zwischen 1869 und 1873 wurde die Budweiser-Bahn für den modernen Dampfbetrieb umgebaut. Leistungsfähigkeit und Bedeutung stiegen damit immens an. Auf der Friedenskonferenz von St. Germain(1919) beharrte schließlich die neu gegründete Tschecho-Slowakei auf der freien Benutzung u.a. dieser Linie für den „Adria-Verkehr“.(18)

Erst der „Eiserne Vorhang“ beeinträchtigte diese Linie immens. Umso erfreulicher war der Moment, als wieder der erste Zug von Linz nach Budweis fuhr. Der Zeitzeuge Leopold Pernegger erinnerte sich 2005:

„Ja, das war im Jänner 1990. Da verkehrte seit Jahrzehnten wieder ein Eilzug von Linz nach Budweis. Die Waggons waren alle von drüben, also schlicht. Wir fuhren hinauf ins Mühlviertel und viele Leute an der Strecke winkten dem Zug mit weißen Tüchern zu…“(19).

In der Folgezeit ging es mit dieser Linie aber bedauerlicherweise wieder sukzessive bergab. Der Schnellzugverkehr ist heute wieder eingestellt, ein grundlegender Ausbau der Linie leider noch immer nicht vorgesehen.

Heute noch bildet die Bahn eine relativ akzeptable Alternative zur Straße, doch ist zukünftig mit der weiteren Schmälerung ihrer Bedeutung zu rechnen.

 

IV: Maximilian Joseph von Österreich-Este(1782-1863) – Der Erfinder der „Tschechischen Predigt“ in Linz. Die weitere Entwicklung.

Schon bald wurde die „Großbaustelle Pferdeeisenbahn“ durch eine weitere ergänzt: Ende der 1820er Jahre schickte sich nämlich Erzherzog Maximilian Joseph von Österreich-Este(1782-1863) an, in Linz eine „Turmbefestigung“ herzustellen.(20)

Maximilian Joseph von Österreich-Este(1782-1863):

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Der Hintergrund: Im Jahr 1809 war es nicht gelungen, Napoleon auf seinem Marsch gegen Wien aufzuhalten. Zukünftig sollte das anders sein. Die Stadt Linz sollte zukünftig über eine Linie von Türmen wirksam verteidigt werden können. Bis zum Jahr 1828 wurde ein erster „Probeturm“ am Freinberg errichtet.

Diese „Großbaustelle Turmbefestigung“ brachte nun ebenfalls eine Vielzahl von tschechischen Arbeitern und auch Professionisten ins Land.(21) Im Jahr 1831 begann der Bau offiziell, 1833 war das Projekt weitgehend realisiert.

Der „Turm No. 9“ heute:

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Der Graben wurde bereits teilweise zugeschüttet.

Angesichts der Vielzahl der tschechischen Arbeiter hatte der Erzherzog die Idee gehabt, „tschechische Messen“ lesen zu lassen und dachte dabei keineswegs „nationalistisch“, sondern vielmehr „mittelalterlich“: Seine tschechischen Untertanen sollten während der langen Absenz von der Heimat möglichst nicht ihren „christlichen Glauben“ verlieren, also Teil des „gläubigen Gesamtvolkes“ bleiben. Rechter Glaube und Loyalität zum Herrscherhaus wurden damals als interdependent betrachtet.

Das genaue Datum der ersten Messe mit tschechischer Predigt ist unbekannt. Wir wissen jedoch, dass diese im Turm No. 3(= Ortschaft „Niedernhart“) stattfand.

Im Jahre 1833 zogen die eingewanderten Tschechen keineswegs alle heimwärts, sondern bekamen in der Folge Arbeit in den Industriebetrieben in und um Linz. Der Aufschwung der Industrie zog sogar neuerliche Einwanderung nach sich. Wahrscheinlich benutzten hier nicht wenige die Pferdeeisenbahn.

Die Institution der „tschechischen Messe“ blieb somit nicht nur erhalten, sondern stieg sogar noch in ihrer Bedeutung. Von 1833 bis 1850 fand sie in der Ursulinenkirche statt, von 1850 bis 1852 in der Seminarkirche, 1853 in der Kapuzinerkirche und schließlich ab dem 18. Oktober desselben Jahres in der Martinskirche am Schlossberg. 

Die Martinskirche am Linzer Schlossberg:

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Religiös-nationales Zentrum der Tschechen seit 1853.

Diese „tschechische Messe“, welche Erzherzog Maximilian einst vor dem Hintergrund seines Weltbildes eingeführt hatte, wurde in der Folge einerseits zum Instrument, andererseits zur Zielscheibe für Nationalisten.

Gefürchtet wurde hierbei aber nicht in erster Linie die „tschechische Predigt“ selbst, als vielmehr das Getratsche der Gläubigen vor und nach der Messe. Beim „Frühschoppen“ – wo bekanntlich reichlich Alkohol fließt – seien sie mit Sicherheit empfänglich für „nationalistische Parolen“, ausgegeben von – möglicherweise von außerhalb kommenden – „tschechischen Agenten“.

Aber auch nicht alle Priester waren offenbar politisch harmlos: Bei den Deutschnationalen gelangte etwa P. Kaspar Jurasek(1844-1926) zu negativer Berühmtheit als Aufwiegler

 

V: Der politische Konflikt um die Feier „50 Jahre tschechische Predigt in Linz“(1903). Zur Vorgeschichte. Erlass des „Deutschtums-Gesetzes“ von 1909(= Landesgesetz XXXVI, No. 57 vom 1. November 1909).

Die Tschechischen Nationalisten Österreichs nahmen den 18. Oktober 1903 zum Anlass, in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz eine Demonstration abzuhalten. (22) Der offizielle Gegenstand:

„50 Jahre tschechische Predigt in Linz“.

Man stellte hierbei aber nur auf die Einführung dieser in der Martinskirche(s.o.) ab, die Zeit davor ignorierte man. Wie oben bereits gezeigt wurde, besaß die „tschechische Predigt in Linz“ nämlich bereits eine gut 70jährige(!) Tradition. Diese Fixierung auf die Martinskirche zeigt, wie sehr dieses Gotteshaus bereits zum „tschechischen Nationalsymbol“ geworden war.

Den nationalistischen Zweck der Jubiläumsfeier versuchte man erst gar nicht zu verdecken. Vielmehr war in mehreren tschechisch-nationalistischen Publikationen der Aufruf abgedruckt, dass man sich am 18. Oktober 1903 in Linz einfinden solle, um „…die Linzer Tschechen zu weiterer Treue und zum Kampfe für ihre nationalen Sitten anzueifern“(23).

Das war natürlich Bestes Wasser auf die Mühlen der Deutschnationalen, denen noch immer die „Badenische Sprachverordnung“(5. April 1897) in guter Erinnerung war. Dazu sogleich.

Allein mit der Ankündigung dieser Veranstaltung sollen die tschechischen Nationalisten – wie wir noch sehen werden – ihrer Sache massiv schaden; und dies nachhaltig.

Zunächst ist zu erwähnen, dass Bischof Dr. Doppelbauer die Abhaltung einer Messe untersagte. Im Landtag sagte er im November 1903 rückblickend dazu:

„Übrigens bin ich es gewesen … der sogleich denjenigen, die den Gottesdienst veranstaltet hätten, erklärte, weil man eine Demonstration machen wollte, so darf am fixierten Demonstrationstage der Gottesdienst nicht abgehalten werden, damit niemand Veranlassung zu Demonstrationen habe. Er wurde auch an diesem Tage nicht abgehalten“(24).

Damit waren die tschechischen Nationalisten ihres legalen Treffpunktes beraubt. Dass man sich am Jubiläumstag spontan anderswo zusammengefunden hätte, ist nicht überliefert.

Ganz besonders scharf war die Reaktion des Linzer Gemeinderates auf die geplante nationalistische Demonstration gewesen. Es war die Rede von „Überfall“ und Schaffung eines nationalen Agitationsherdes.

Am 14. Oktober 1903 wurde folgender Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen:(25)

1.     Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz protestiert gegen die Absicht, Linz zum Schauplatz einer tschechischnationalen Demonstration zu machen.

2.     Der Gemeinderat spricht den Wunsch aus, daß die Linzer Geschäftsleute in Hinkunft nur deutsche Gehilfen und Lehrlinge aufnehmen(= Hervorhebungen d. Verf.) und insoferne die Aufnahme von Hilfsarbeitern anderer Nationalität im Einzelnen nachweislich ist, darauf gesehen wird, daß keine solche Personen aufgenommen werden, welche sich vornehmen, die bisherige Ruhe und Eintracht der Stadt durch deutschfeindliche Agitation zu stören.

3.     Der Gemeinderat ersucht die Kirchenbehörde, den zu tschechischen Demonstrationen mißbrauchten tschechischen Gottesdienst einzustellen.

4.     Der Gemeinderat ersucht den Bürgermeister, Erhebungen über die tschechischnationale Agitation in Linz zu pflegen und hierüber dem Gemeinderat zu berichten.

Der Fall „Jubiläum 1903“ bedeutete – wie oben bereits gesagt –  aber nicht nur Wasser auf die Mühlen der Deutschnationalen, sondern er heizte eine Debatte neu an, welche mit der „Badenischen Sprachverordnung“(5. April 1897) begonnen hatte.

Der in Galizien geborene Pole Kasimir F. Graf Badeni(1846-1909) wurde im Jahr 1897 österreichischer Ministerpräsident und verordnete hinsichtlich eines „Tschechisch-deutschen Ausgleichs“, dass Böhmen und Mähren zukünftig in amtlicher Hinsicht „allgemein zweisprachig“ sein sollten. Alle Beamten, welche ab dem 1. Juni 1901 eine Anstellung finden wollten, sollten beide Sprachen beherrschen und hatten sich einer „Amtlichen Sprach-Prüfung“ zu unterziehen.

Kasimir F. Graf Badeni(1846-1909):

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In den Deutschen Gebieten beider Länder erhob sich nun ein Proteststurm: Die Deutschen wollten nun einmal nicht „tschechisch“ lernen, die Tschechen aber sprachen in der Regel aus rein praktischen Gründen bereits deutsch. Somit würden „Deutsche Beamte“ aus den „Deutschen Gebieten“ zukünftig verdrängt und die Deutschen also von „Tschechen“ bürokratisch beherrscht. Dies nun erkannte man ganz klar als Politikum.

Grobe Skizze zur ethnischen Lage im Raum Böhmen, Mähren, Oberösterreich und Niederösterreich:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Kontext dieser großzügigen Gesamtlösung spielte also – nota bene! – die konkrete ethnische Situation eines Gebietes, und damit die „Minderheitenfrage“ keine Rolle mehr. Das Ziel war vielmehr „grundsätzliche Zweisprachigkeit“.

Diese „Minderheitenfrage“ war innerhalb der Monarchie ohnehin fast unlösbar. Vielleicht hätte das entsprechende Konzept des Thronfolgers Franz Ferdinand eine Perspektive bedeutet.(26) Leider wurde er 1914 in Sarajevo ermordet.

Das „Deutsche Herrenvolk“ stand mit bescheidenen ca. 25 % einer stattlichen „nicht-deutschen Mehrheit“ von ca. 75 % gegenüber, war also ganz klar in der Minderheit. Die dominanteste Gruppe bildeten die Slawen. Allerdings konnten sich die Deutschen darauf berufen, Teil eines „national einheitlichen Millionenvolkes“ zu sein und deren radikale Politiker taten dies auch. Vor diesem Hintergrund war eine „Minderheiten-Debatte“ also unmöglich und es war somit die „Sprach-Debatte“, welche den politischen Diskurs der Monarchie beherrschte.

Oberösterreich, welches von der „Badenischen Sprachverordnung“ überhaupt nicht betroffen war, protestierte bereits am 10. Januar 1898 gegen diese und verlangte deren Rücknahme.

Diese vorbeugende Maßnahme erschien angesichts der im Land lebenden Tschechen – 1890 waren es bereits 3.709(27) – als gerechtfertigt. Würde nämlich die „Badenische Sprachverordnung“ – welche wie gesagt keinerlei Rücksicht auf konkrete nationale Mehrheitsverhältnisse nahm – einst auch in Oberösterreich Anwendung finden, so sei zukünftig eine „Amtliche Zweisprachigkeit“ nicht auszuschließen und oberösterreichische Beamte müssten „Tschechisch“ lernen bzw. „zweisprachige Tschechen“ aus Prag oder anderswo müssten im Land den Dienst antreten. Somit würden die „Deutschen“ gewissermaßen von „Tschechen“ beherrscht – Und dies in einem fast rein deutschen Land!

Obwohl die Verordnung im Jahre 1899 wieder gänzlich aufgehoben wurde, blieb das Misstrauen gegenüber Wien erhalten. Die (deutschnationalen) politischen Ziele der Folgezeit waren:

a)     Ein Gesetz, welches vorschreibt, dass die Unterrichtssprache in Oberösterreich für immer und ewig „deutsch“ sein solle.

b)    Ein Gesetz, welches für immer und ewig die „Deutsche Amtssprache“ vorschreibt.

Die entsprechenden Initiativen blieben aber erfolglos und das Problem selbst war fast schon in der Versenkung verschwunden, als dann im Jahr 1903 plötzlich das tschechische Jubiläumsprojekt die Gemüter erschütterte.

Nun ließ man aber nicht mehr locker und brachte immer neue Argumente für die Durchsetzung dieser Gesetze vor: So wurde etwa die Bedeutung des „tschechischen Vereinslebens in Oberösterreich“ rhetorisch überhöht.

Bischof Doppelbauer sah sich schon 1903 genötigt, im Landtag über die „Lage der Tschechen“ aus (über-nationaler) kirchlicher Sicht eingehend zu berichten. Seine Ausführungen – welche in diesem Beitrag bereits teilweise zitiert wurden – stellen in der Tat eine wichtige historische Quelle zum Thema dar. Seine politische These: Er sei der Bischof aller Gläubigen in Oberösterreich, deren jeweilige „Nationalität“ sei nebensächlich. Der „Tschechische Gottesdienst“ – welcher noch dazu bereits vor gut 70 Jahren legal(!) eingeführt worden sei(s.o.) – besitze also aus seiner Sicht größte Existenzberechtigung. Folgerichtig verwahrte er sich gleichzeitig davor, diese schöne Institution nationalistisch zu missbrauchen.(s.o.)

Im Vorfeld des „Deutschtums-Gesetzes“(1909) war übrigens der Hinweis darauf, dass Tschechen mit Hilfe der „Zivnostenska Banka“(Prag) schon länger oberösterreichische Bauernhöfe aufkauften, nicht ohne Einfluss.

Diese Bank war 1868 – also ein Jahr nach dem „Ausgleich“ – gegründet worden.(28) Das ursprüngliche Ziel: Förderung von tschechischen Klein- und Mittelbetrieben innerhalb des „deutsch dominierten“ Wirtschaftssystems Österreichs. Somit lag die politische Prägung dieser Institution schon von vorne herein klar auf der Hand. Unterstrichen wurde dies noch dadurch, dass politische Aktivisten wie etwa Frantisek L. Rieger einst im Vorstand saßen.

Der tschechische Politiker und Nationalist Frantisek L. Rieger(1818-1903): Einst im Vorstand der Zivnostenska Banka.

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Diese Bank existierte übrigens auch noch weit über 1918 hinaus. Erst 2007 kam es zur Verschmelzung mit der HVB zur „UniCredit Bank Czech Republic“.

Zum ursprünglichen Ziel der „nationalen Betriebsförderung“ gesellte sich alsbald auch das Bestreben, den Aufkauf „deutscher Bauernhöfe“ zu ermöglichen.

Besonders wenn dieses Konzept auf dünn besiedelte (Grenz-)Gebiete Anwendung fand, wurde es von den Deutschnationalen gefürchtet: Allzu schnell könne ein solches Gebiet „tschechisiert“, d.h. eine „Beseda“(= soviel wie „Sprachinsel“) begründet werden. Würde dies voranschreiten und eine neue „Sprachverordnung à la Badeni“ kommen, so wäre die „Zweisprachigkeit Oberösterreichs“ nicht mehr aufzuhalten.

Und wenn – das ebenfalls dünn besiedelteSüdböhmen einst auf dieselbe Weise „lückenlos tschechisiert“ worden sei und irgendwann sich die Frage einer „territorialen Neuordnung Österreichs“ stellen würde, dann würde eben tschechisiertes oberösterreichisches Gebiet an das nördliche „Mehrheitsgebiet“ angeschlossen.

Wie auch immer – Eine solche „Beseda“ war aus deutschnationaler Sicht auf jeden Fall ein „Störfaktor“.

Man kaufte übrigens nicht nur Bauernhöfe im Grenzgebiet auf, sondern auch in relativ dicht besiegelten Zonen, wie z.B. im Kremstal – all‘ das drohende Anzeichen einer versuchten „Tschechischen Unterwanderung“.

Und dies bald nicht nur mehr für die Deutschnationalen:

Im Jahr 1909 erfolgte die kaiserliche Sanktion des oberösterreichischen Gesetzes bezüglich deutscher Amts- und Unterrichtssprache.(s.o.)

Historisch ist darauf hinzuweisen: Hätte es das tschechische „Jubiläums-Projekt“ von 1903 nie gegeben, wäre die Realisierung dieses Gesetzes bedeutend schwieriger gewesen. Für die tschechischen Nationalisten wurde dieses also zum Schuss ins Knie.

Was man 1903 – als man von „slawischer Überflutung“ sprach – übrigens noch nicht wissen konnte: Zwischen 1900 und 1910 ging die Anzahl der oberösterreichischen Tschechen massiv zurück.(s.o. Statistik)

Das „Beseda-Problem“(s.o.) war damit freilich nicht völlig entschärft, die Bildung einer „Minderheit“, welche sodann um ihr „nationales Recht“(und damit gegen das Gesetz von 1909!) kämpft, noch immer möglich.

 

VI: Von 1918 bis heute. Plan eines „Nationalen Volkshauses“ in Linz. Die Benes-Dekrete. „Der Kommunismus“ als indirektes völkerverbindendes Moment.

Als die Monarchie im Jahre 1918 zerfiel, wurde die Landesgrenze zwischen Oberösterreich und Böhmen zur Staatsgrenze zwischen der Tschecho-Slowakei und (Deutsch-)Österreich.

Der tschechoslowakische Plan, sich oberösterreichisches Gebiet bis Kefermarkt(!) einzuverleiben(Freistadt hätte dann zusätzlich „Cáhlor“ geheißen), konnte ebensowenig durchgesetzt werden, wie der österreichische Plan, Oberösterreich territorial um sein deutsches Nordgebiet(= „Böhmerwaldgau“) zu vermehren.(29)

Das deutsche Gebiet nördlich von Oberösterreich:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Idee der tschechischen Einflussnahme auf Oberösterreich blieb – trotz des Gesetzes von 1909 – durchaus erhalten. Weiterhin wurden Bauernhöfe aufgekauft. In Linz entstand nach dem Krieg ein tschechisches Konsulat, welches gleichzeitig Sitz von drei tschechischen Vereinen war. Alsbald entstand sogar die Idee, in der Stadt ein „Nationales Volkshaus“ zu errichten. Dieses Projekt konnte jedoch nicht umgesetzt werden.

Im Jahr 1938 kam es sodann tatsächlich zur Vermehrung des oberösterreichischen Territoriums auf Kosten der Tschechoslowakei: Damals wurden die Bezirke Krummau und Kaplitz eingegliedert.(30) Mit diesem Schritt erhöhte sich auch der insgesamte Anteil der Tschechen innerhalb Oberösterreichs geringfügig. In politischer Hinsicht war diese Volksgruppe aber ohnehin längst völlig ohnmächtig.

Annexion der Nordgebiete 1938: Die Bezirke Krummau und Kaplitz.

Copyright: Elmar Oberegger

Als sich die militärische Niederlage Hitlerdeutschlands immer klarer abzeichnete, war für Prag völlig klar, dass u.a. dieses Gebiet re-integriert werden müsse. Vor diesem Hintergrund spielte sich sodann ein „Völkermord“ gegenüber den böhmischen Deutschen ab(„Benes-Dekrete“), welcher bis heute unvergessen ist. Wer offen über Bosnien-Herzegowina spricht, muss auch offen über diese „Benes-Dekrete“ sprechen. Selbstverständlich ist es für die Tschechen höchst unangenehm, durch diesen „Völkermord“ historisch vom „Opfervolk“ zum „Tätervolk“ geworden zu sein. Benes war diese nachhaltige Beschmutzung der eigenen Nation jedoch offenbar völlig egal.

Im Zuge des „Prager Frühlings“(1968) erfuhr die Bedeutung „Tscheche“ in Österreich einen entscheidenden Bedeutungswandel: Aus den ehemaligen, erbitterten Gegnern wurden „Anti-Kommunisten“, welche man, als die russischen Panzer anrückten, gerne und reichlich aufnahm.

Wieviele Tschechen sich vor obigem Hintergrund dauerhaft in Oberösterreich niederließen, ist unbekannt. Jedenfalls verhielten sich alle oberösterreichischen Tschechen in der Folgezeit ruhig, man wollte sich ganz einfach „etablieren“.

Als der „Eiserne Vorhang“ fiel, kamen erneut Tschechen ins Land. Man sah diese allgemein als Folteropfer des Kommunismus an und nahm sie gerne auf. Wieviele von diesen in weiterer Folge „Staatsbürger“ wurden und sich sodann weiterhin zu ihrem Tschechentum bekannten, ist ungewiss.

Das Vereinsleben der oberösterreichischen Tschechen verfiel seit 1938 total. Zwischen 2003 und 2011 existierte allerdings der von Dr. Herbert Vorbach gegründete „Cesky stul“(= tschechischer Stammtisch), welcher Vorträge, Ausflüge u.ä. organisierte.(31)

Historisch interessant ist vor allem, dass es „Der Kommunismus“ war, welcher indirekt die Völkerfreundschaft zwischen Deutschen und Tschechen in (Ober-)Österreich nachhaltig förderte.

Das Atomkraftwerk Temelin hingegen scheint beide Völker wieder zu entzweien…

Die Geschichte hat uns bereits mehrmals gezeigt, wie töricht Nationalismen sind. Schon aus diesem Grund sollten Tschechen und Deutsche dauerhaft Freunde bleiben.

 

VII: Anmerkungen.

1)    Siehe Peter WASSERTHEURER: Historische Grundlagen zur Vertreibung der Sudetendeutschen(S. 201 ff.); Jiri PESEK: Die NS-Herrschaft im Protektorat Böhmen und Mähren und die Aussiedlung der Deutschen nach 1945(S. 211 ff.); Eagle GLASSHEIM: Reconciling Austrian, Czech and German Views of the Expulsion of the Sudeten Germans(S. 219 ff.). In: Alte Spuren, Neue Wege. Katalog der oö. Landesausstellung 2013. –Linz 2013.

2)    Siehe Martin DUNST: Gemeinsame Geschichte. Austausch und Argwohn. In: OÖN vom 27. April 2013, S. 2 f.

3)    Siehe Roman SANDGRUBER: Drei Wege nach Böhmen. In:  In: Alte Spuren, Neue Wege. Katalog der oö. Landesausstellung 2013. –Linz 2013, S. 91 ff.

4)    Siehe zu diesen Überresten Elmar OBEREGGER: Spurensicherung – Die Überreste der Budweiser Pferdeeisenbahn im Bereich Staatsgrenze-Maria Schnee. Eine eisenbahnarchäologische Forschungswanderung vom  05-04-09. Durchgeführt von Elmar Oberegger und Levanda Motta. In: Ders., Zwotausendundzwölf. Beiträge zu einem österr. Eisenbahnjubiläum. – Sattledt 2013, S. 18 ff.

5)    Siehe Harry SLAPNICKA: Linz, Oberösterreich und die „Tschechische Frage“. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1977. –Linz 1978, S. 209 ff. Erneut 1982 abgedruckt in: Ders., Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph 1861-1918, Linz 1982, S. 41 ff. Der Aufsatz war auch maßgebliche Grundlage für Rudolf ZINNHOBLER: Franz von Sales Maria Doppelbauer. In: Die Bischöfe von Linz. Hrsg. v. Rudolf Zinnhobler. –Linz 1985, S. 198 ff. Aspekt: „Doppelbauer und die Tschechen“

6)    Der Name „BÖHMEN“ ist – wie „BOSNIEN-HERZEGOWINA“ oder „STEIERMARK“ im Prinzip über-national geprägt. In BÖHMEN lebten bis 1945/46 gleichzeitig DEUTSCHE und TSCHECHEN.

7)    Siehe Stenographische Protokolle des oö.Landtages, X. Periode, 1. Session, Sitzung vom 11.11.1903, S. 778 ff. Siehe dazu auch SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209.

8)    Siehe dazu SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209 ff.

9)    So ist der Nachname des aktuellen österreichischen FPÖ-Chefs bekanntlich „STRACHE“, welcher ur-schechisch ist.

10)           Diese wurden dem Verfasser von Frau Veronika BARTL(Land OÖ) freundlich zur Verfügung gestellt.

11)           Siehe dazu SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 210; VOLKSZÄHLUNG 2001 a.a.O.

12)           SLAPNICKA(1977 a.a.O., S. 210) geht – möglicherweise fälschlich – von der Existenz dieser „Mährer“ und „Slowaken“ aus. In der Volkszählung von 1910, wo man plötzlich genauere Kategorien einführte(„Tschechen“, „Andere“ = aufgegliedert dargestellt) tauchen jedenfalls weder Mährer noch Slowaken auf.

13)           Vgl. Österreichisches Statistisches Handbuch, österr. Staatsarchiv Wien.

14)           Siehe dazu a.a.O.

15)           Zahlen für 2013 liegen nach Auskunft der „STATISTIK AUSTRIA“ nicht mehr vor.

16)           Siehe zur Geschichte der Pferdeeisenbahn v.a. Bruno ENDERES: Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz. Das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. –Berlin 1926.; Elmar OBEREGGER: Der Eiserne Weg nach Böhmen. Von der Pferdeeisenbahn zur Summerauerbahn. In: Kohle &. Dampf. Katalog der oö. Landesausstellung 2006. –Linz 2006, S. 247 ff.

17)           Siehe Stenographische Protokolle des oö.Landtages, X. Periode, 1. Session, Sitzung vom 11.11.1903, S. 778 ff. Siehe dazu auch SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209.

18)           Siehe Die Friedensbedingungen von St. Germain. –Wien 1919, Kap. V, Art. 35/36 bzw. S. 143.

19)           Zit. b. OBEREGGER, Eiserner Weg a.a.O., S. 257.

20)           Siehe dazu Erich HILLBRAND: Die Türme von Linz. Ein Festungssystem aus dem 19. Jahrhundert. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1984, S. 11 ff.

21)           Die weiteren Ausführungen fußen auf SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209 ff.

22)           Dieser Abschnitt fußt auf SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209 ff.

23)           Vgl. SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 211. Die genauen publizistischen Quellen nennt uns der Autor leider nicht!

24)           Siehe Stenographische Protokolle des oö.Landtages, X. Periode, 1. Session, Sitzung vom 11.11.1903, S. 778 ff. Siehe dazu auch SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 209.

25)           Siehe Sitzungsprotokoll vom 14.10.03, S. 158. Vgl. SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 214.

26)           Siehe dazu etwa Rudolf KISZLING: Erzherzog Franz Ferdinand und seine Pläne für den Umbau der Donaumonarchie. In: Der Donauraum. Zeitschrift des Forschungsinstitutes für den Donauraum 8 (1963), S. 261 ff.

27)           Statistisch gefasst unter „böhmisch-mährisch-slowakisch“!

28)           Siehe dazu Vlastislav LACINA: Zivnostenska Banka v bankovnictvi a ekonomice CSR. In: Od uvernich druzstev k bankovnim koncernum. Hrsg. v. Jan Hajek und Ders. –Praha 1999, S. 159 ff.

29)           Vgl. dazu SLAPNICKA 1977 a.a.O., S. 229.

30)           Siehe dazu Harry SLAPNICKA:  Oberösterreich – Als es „Oberdonau“ hieß. 1938-1945. –Linz 1978, S. 33 ff.

31)           Mitteilung an den Verfasser durch Dr. Herbert VORBACH per e-mail am 29-05-2013.

 

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