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DER „AUSFLUG“ DES PRINZEN EUGEN NACH SARAJEVO
VOM 13. OKTOBER BIS ZUM 8. NOVEMBER 1697:

Ein Terroranschlag im Namen Österreichs

 

„Ungesäumt schritt Prinz Eugen, nachdem der größte Teil des Landes von den Türken gesäubert(= Hervorhebung d. Verf.) war, zur politischen Organisation desselben“, schreibt der Serbe Theodor Ritter v. Stefanovic-Vilovsky(1908: 18) im Zusammenhang mit der Eroberung Nordserbiens durch Österreich im Jahr 1717.

Prinz Eugen – Der „Edle Ritter“?

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Was damals in organisatorischer oder sonstiger Hinsicht auch genau passiert war:

Hervorzuheben ist, dass die Anwendung des Begriffes „säubern“(= serb. „ocistiti“) auf ethnisch-kulturelle Belange bereits auf den serbischen Sprachforscher und Nationalisten Vuk Stefanovic Karadzic(1787-1864) zurückgeht.(s.d. ERDMANN-PANDZIC 1996: 45) Wie wir wissen, hatte dieses Denken in den 1990er-Jahren einen sehr traurigen Aufschwung erfahren. Im Prinzip ist es mit der „Deutschen Blut &. Boden-Ideologie“ gleichzusetzen, welche ebenfalls nur Unheil brachte. Das „Andere Volk“ wird hierbei schlicht als „Schmutz“ betrachtet, von dem das „Eigene Volk“ zu befreien sei. Betrachten wir die serbische Geschichte, so ist zu erkennen, dass es in der Regel die „Türken“ bzw. „Muslime“ waren, welche als entfernungswürdig interpretiert wurden.

Die Ansicht, die „Türken“ wären kulturell niedrig, dreckig und vor allem im Krieg höchst brutal, ist auch bei anderen Völkern verbreitet, so etwa auch bei den Ungarn. Umgekehrt erfreut man sich aber besonders in Budapest an den alten und schönen „Türkischen Badehäusern“ und anderen Errungenschaften des Orients. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass der christliche Ungar nach dem Bad quasi als „kulturelles Reinigungsritual“ traditionell Alkohol trinkt.

Aus historischer Sicht ist klar festzuhalten, dass „Die Türken“ nicht weniger oder mehr brutal waren als andere Militärmächte der Geschichte. Darüberhinaus hatten sie, als sie nach Europa kamen, ganz zweifellos die höhere Kultur inne. Doch die christliche(n) Kirche(n) tat(en) alles, um diese „Mohammedaner“ zu dämonisieren und zu entmenschlichen.

Dankenswerterweise heben Ernst J. Görlich und Felix Romanik in ihrem Handbuch zur Geschichte Österreichs klar hervor, dass „Österreich“ hinsichtlich humaner Belange in der Tat nicht besser war als die Türken. Dort heißt es(1966: 240):

„Wir sind es gewohnt, in den Türkenkriegen die Ereignisse nur von der einen Seite her zu betrachten, so daß uns das Gefühl dafür abgeht, daß auch auf der andern – der türkischen – Seite Leid, Not und Elend nicht fehlten. Erst 1954 ist die deutsche Übersetzung der Lebensbeschreibung des türkischen Dolmetschers Osman Agha erschienen. Er wurde 1688 von den Österreichern gefangengenommen und weilte bis 1699 in Österreich. Aus diesem türkischen Selbstzeugnis geht die innige Heimatverbundenheit der Türken hervor, die nunmehr bereits über drei Generationen im Land saßen; aber ebenso die gleiche, durchaus nicht in Humanität und Ritterlichkeit schwelgende Kriegführung auf beiden Seiten, der kaiserlichen und der türkischen. Wurden früher christliche Gefangene scharenweise auf die türkischen Sklavenmärkte geschleppt, so erging es jetzt türkischen Gefangenen in österreichischen Landen nicht viel besser. Einzelne von ihnen gingen im österreichischen Volk auf. So auch jener Türke, der nach Oberösterreich verschlagen wurde, dort heiratete und zu dessen Nachkommen der oberösterreichische Mundartdichter Purschka gehörte. Osman Agha erzählt, wie man um das Lösegeld der reicheren Gefangenen schacherte und er selbst trotz Bezahlung des Lösegeldes nicht, freigegeben wurde. Er mußte einige Zeit hindurch in Ketten als Pferdeknecht dienen, dann ‚avancierte‘ er zum Läufer und Sesselträger eines Grafen Schallenberg, der ihn nach Wien brachte. Im selben Haus befanden sich zwei gefangene türkische Mädchen. ‚Das eine‘ – so erzählt Osman Agha wörtlich – ‚stammte aus Arad und war die Tochter des verstorbenen Schatzmeisters Ali Agha. Sie war im Alter von sieben Jahren in Gefangenschaft geraten, als General Heißler im Jahr des Falles von Buda mit 12.000 Mann gegen die Festung Szolnok, die Palanke Szarvas und gegen Arad gezogen war und diese Orte in Brand gesteckt hatte. Als sie mit der gnädigen Frau zu uns kam, war sie 14 Jahre alt, eine bildhübsche, wohlerzogene Jungfrau aus vornehmem Haus. Unser Verwalter, Seyfried von Eyrsperg, hatte mit diesem Mädchen ein Liebesverhältnis. Das andere Mädchen war als kleines Kind zusammen mit seiner Mutter bei der Erstürmung von Buda in Gefangenschaft geraten, ihr später weggenommen und bis zu seinem 10. Lebensjahr in einem Kloster als Pflegekind aufgezogen worden; mit 11 Jahren war es dann in unser Palais gekommen. Auch sie war ein sehr hübsches Ding, nur hatte sie ein zu freies Benehmen und wurde deswegen von der gnädigen Frau zuweilen hart gezüchtigt.‘ Osman Agha entkam dann der Gefangenschaft, als er die Liebesaffäre des Verwalters, der sich unterdessen auch an das zweite, erst elfjährige Mädchen herangemacht hatte, zu entdecken drohte und ihm dieser dafür zur Flucht verhalf“.

Als weiteres Beispiel für die Brutalität und Niedrigkeit der Österreicher wäre der Terror-Angriff des Prinzen Eugen auf die schöne Stadt Sarajevo anzuführen, welchem wir uns nun widmen wollen. Er dauerte vom 23. bis zum 25. Oktober des Jahres 1697. Über seinen „Bosnischen Marsch“, welcher am 13. Oktober 1697 begann und am 8. November d.J. endete, hat Prinz Eugen übrigens ein Tagebuch verfasst(= „Journal de la marche en Bosnie“).

Auszug des Prinz Eugenschen Bosnien-Tagebuches(1697):

Staatsarchiv Wien

Dass es sich hier eindeutig um Terrorismus gehandelt hat, zeigt der Umstand, dass sich nicht nachweisen lässt, Prinz Eugen habe damals Bosnien militärisch besetzen wollen. Österreich hatte zwar im Jahr der „Schlacht von Mohacs“(1687) erheben lassen, ob seine Herrschaft bei den muslimischen Bewohnern Bosniens erwünscht sei, doch weitere Schritte unternahm man dann nicht.(s.d. DZAJA 1984: 98)

Nachdem Prinz Eugen am 11. September 1697 in Ungarn die „Schlacht von Zenta“ erfolgreich geschlagen hatte, wollte er aufgrund des herannahenden Winters keine größeren Unternehmungen mehr wagen und entschloss sich dazu, mit einer kleinen Schar von 6000 Männern Sarajevo zu überfallen. Das Ziel: Istanbul sollte die vernichtende Macht Österreichs und der katholischen Christenheit in aller Deutlichkeit vorgeführt werden. Das Ziel war letztlich ein für Österreich günstiger Friedensschluss. Der Marsch ging ungewöhnlich schnell vor sich. Pro Tag legte man ca. 15 Kilometer zurück.

Das Unternehmen wurde derart rasch in die Wege geleitet, dass Sarajevo im Grunde ungesichert war. Allein die Stadtbesatzung gab umgehend einige Schüsse auf die Österreicher ab.

Die Tagebucheintragungen des „Edlen Ritters“:

23. Oktober 1697:

„Ich machte Front zur Rechten der Stadt und entsandte eine Abteilung zum Plündern; die Türken hatten zwar ihre besten Sachen in Sicherheit gebracht, aber es fand sich noch genügend Beute. Gegen Abend brach ein Feuer aus. Die Stadt ist groß und völlig offen und hat 120 schöne Moscheen(= Hervorhebung d. Verf.)…“.

24. Oktober 1697:

„Man hat die Stadt völlig niedergebrannt und auch die ganze Umgebung. Unsere Trupps, die den Feind verfolgten, haben Beute eingebracht, und auch Frauen und Kinder, nachdem sie etliche Türken getötet hatten. Die Christen kommen in großer Zahl, bitten um Schutz und kommen mit all ihrer Habe ins Lager, denn sie wollen das Land verlassen und sich uns anschließen. Ich hoffe alle, die sich in diesem Land befinden, über die Save zu­rückzuführen“.

Es ist ja ganz klar, dass diese Christen angesichts der oben geschilderten Ereignisse ihre Heimat verlassen mussten, hatten sie doch die türkische Revanche zu fürchten.

Man sieht ja ein, dass Prinz Eugen Soldat war und dass Krieg eben Krieg ist: Dieser Terroranschlag war aber keineswegs „gentleman-like“ und zeigt uns die dunkle Seite des „Edlen Ritters“, welcher aufgrund seiner Sammlungen und seiner großartigen Bautätigkeit auch als „Großer Kunst- und Kulturmensch“ betrachtet wurde (und wird). Dass er im Tagebuch die „Schönheit der Moscheen“(s.o.) hervorhebt, wirkt in der Tat als geradezu krank.

Diese Verquickung von „Kunstsinn“ und „Barbarei“ kennen wir auch von anderen Persönlichkeiten der Weltgeschichte

Sarajevo – Eine leidende Stadt!

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Ein im Zuge des „Jugoslawischen Bürgerkrieges“ der 1990er zerstörtes Stadtviertel.

 

Quellen:

DZAJA Srecko: Konfessionalität und Nationalität Bosniens und der Herzegowina. Voremanzipatorische Phase 1463-1804. –München 1984.

ERDMANN-PANDZIC Elisabeth: Von der Wissenschaft zum Krieg. Zu einer Ideologie von Vuk bis Radovan Karadzic. In: Die Slawischen Sprachen 50 (1993), S. 13 ff.

GÖRLICH Ernst J./Felix ROMANIK: Geschichte Österreichs. –Innsbruck/Wien 1966(2).

MATSCHKE Klaus-Peter: Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. –Düsseldorf u.a. 2004.

PRINZ EUGEN UND DAS BAROCKE ÖSTERREICH. Ausstellungskatalog. –Wien 1986.

STEFANOVIC-VILOVSKY Theodor: Belgrad unter der Regierung Kaiser Karls VI. 1717-1739). –Wien 1908.

TROST Ernst: Prinz Eugen von Savoyen. Wien/München 1985(2).

 

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