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ZUR GESCHICHTE DER „ROTTENMANNER VILLA“(ERR. 1912) IN ST. GALLEN(OBERSTEIERMARK):

 

Die „Ära Oberegger“ in St. Gallen klingt aus, die „Rottenmanner-Villa“ in der Oberhofstraße – von manchem als „familiärer Stammsitz“ hochstilisiert – steht zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen(17. Juli 2013) vor dem Verkauf.

Die „Rottenmanner-Villa“(2013):

Copyright: Elmar Oberegger

Diesen Umstand nehme ich, Elmar Oberegger, zum Anlass, auf meine Weise Abschied zu nehmen, d.h. etwas über die Geschichte dieses Hauses zu schreiben. Ich werde übrigens auch in Zukunft immer wieder gern St. Gallen und seiner interessanten Burg einen Besuch abstatten.

Das Thema „Rottenmanner-Villa“ ist auch für die touristische Geschichte von St. Gallen nicht uninteressant, wurde dort doch zwischen 1975 und 2002(letzter Eintrag im Gästebuch am 31. August d.J.) eine Zimmervermietung betrieben.

Imposant: Hirsch &. Co. im Stiegenhaus der Rottenmanner-Villa.

Copyright: Elmar Oberegger

Errichtet wurde das Haus vom aus Eisenerz stammenden Oberförster Franz Rottenmanner und seiner Frau Petronella. Im Jahre 1912 wurde es vollendet.

Oberförster Franz Rottenmanner:

PA M.Oberegger

Rottenmanner hatte während seiner Laufbahn mehrere Dienstorte, so z.B. auch Göstling a.d. Ybbs. Er war sehr gebildet und darüberhinaus überzeugter Philantrop. Einen Teil seiner interessanten Bibliothek hat der Verfasser im Lauf der Zeit auf Umwegen „geerbt“. Zeitlebens war er mit dem k.k.Militär verbunden und es heißt, dass er 1866 bei der „Schlacht von Königgrätz“ dabeigewesen sei.

St. Gallen sollte nun sein Alterssitz sein…

Das neu errichtete Haus brachte ihm aber nur wenig Glück. Schon wenige Jahre nach dem Einzug starb er und seine Frau Petronella verfiel zunehmend dem Wahnsinn. Am Ende konnte sie nur noch beim Nachbarn unter Aufsicht gepflegt werden…

Da die Rottenmanners kinderlos waren, wurde der in Kremsmünster lebende Neffe Cornelius Oberegger(geb. 1873 in Wildalpen/Stmk., gest. 1956 in Kremsmünster) zum Haupt-Erben bestimmt. Wie der Onkel hatte dieser einst den Försterberuf ergriffen und war im Dienst des dortigen Stiftes. Leicht war dieses Erbe nicht, doch Oberegger hatte seinem Onkel viel zu verdanken und somit nahm er diese Last eben auf sich.

Cornelius Oberegger(1873-1956):

PA Oberegger

Als Soldat im Ersten Weltkrieg.

Er musste sich zunächst mit seinen beiden Brüdern Alois und Josef finanziell ausgleichen und ferner der Witwe Petronella eine lebenslange Leibrente zahlen. Sie soll übrigens erst im Jahr 1945 sterben, als Oberegger bereits über 70 Jahre(!) alt war.

Warum hatte er diese Last auf sich genommen? Warum zog er nach seiner Pensionierung im Jahre 1940 nicht in das geerbte Haus ein?

Beide Fragen hängen durchaus zusammen:

Nachdem sein Vater Johann Oberegger – zuerst Bergmann in Eisenerz, sodann Bahnwächter bei der „k.k.priv. Kronprinz Rudolfbahn-Gesellschaft“ – beim Wildern erwischt wurde, machte die Familie einen schweren sozialen Niedergang durch:

Der Vater wurde umgehend gekündigt und man musste aus dem Bahnwärterhaus an der „Kummerbrücke“ ausziehen. Die Söhne waren als „Wilderer-Buben“ fortan öffentlich geächtet. Gnadenhalber konnte der Vater wieder in Eisenerz arbeiten. Man zog nach Radmer, von wo aus er sich zu Fuß(!) zum Dienstort begab.

Um dieses Elend zu mildern, nahm Onkel Rottenmanner – der Philantrop – diese „Wilderer-Buben“ unter seine Fittiche und sorgte dafür, dass aus ihnen respektable Menschen wurden. Cornelius gab er zunächst ins k.k.Militär, später förderte er dessen Laufbahn als Förster. Alois landete bei der Eisenbahn und lebte zuletzt in Wien.

Aus dem Josef wurde ein bedeutender Gärtner mit Stammsitz in Deutsch-Wagram, welcher später sogar ein Geschäft am Wiener Naschmarkt besaß. Er war es, welcher für Vater und Mutter neben seinem Anwesen ein Holzhaus errichtete. Der Umzug von Radmer nach Deutsch Wagram fand dann 1914 statt. Noch im selben Jahr starb der Vater nach einem Leben voll Hunger und Entbehrungen.

Gewildert hatte er ja einst nicht zum Zeitvertreib, sondern um die Mägen der Familie einigermaßen zu füllen. „Wir hatten einen leeren Magen, und um uns da hüpfte das Fleisch herum…“ – So soll er immer gesagt haben.

Mit „Steiermark“ verband Cornelius Oberegger also v.a. „Hunger“ und „Soziale Ächtung“. In Oberösterreich jedoch, besonders in der Kremsmünsterer Gegend, da fühlte er sich schon immer wohl: Im Gegensatz zur gebirgigen Kargheit der alten Heimat herrschte dort im Land der fruchtbaren Äcker und saftigen Wiesen geradezu Überfluss. Die Bauern waren – besonders gegenüber einem Förster – relativ freigiebig und er genoss es, sich während seiner „Wald-Märsche“ auf eine Rahmsuppe oder ein Stück gekochtes Selchfleisch einladen zu lassen. Auch nach seiner Pensionierung blieben solche Freundschaften erhalten.

Darin ist also der Grund zu sehen, warum der Erbe mit dem St. Gallener Haus eigentlich nichts zu tun haben wollte. Aber er verdankte schließlich Onkel Rottenmanner seine Karriere bzw. seine Existenz. Aus reiner Dankbarkeit hatte er also die Last des Erbes auf sich genommen.

Nachdem Petronella ausgezogen war, wurde das Haus vermietet. Zuletzt an eine gewisse Schneiderin namens Ebner. Für Instandhaltungsarbeiten fehlte jedoch das Geld.

Nach dem Tod des Cornelius im Jahr 1956 fiel das Haus an dessen Witwe Maria, welche sofort auf einen Verkauf drängte. Doch v.a. die Töchter Maria und Ilse waren strikt dagegen. So übernahmen sie dieses Erbe und glichen sich mit den Geschwistern in der Folge finanziell aus.

Familie Cornelius Oberegger im Jahre 1943:

PA Oberegger

Obere Reihe(v.l. n. r): Ilse, Maria, Otto, Christine. Untere Reihe(v.l. n. r): Mutter Maria, Johann, Vater Cornelius, Rudolf.

Es entstand schließlich die (Wahn-)Idee, dieses Haus grundlegend zu renovieren und eine Zimmervermietung aufzumachen. Damit käme – so glaubte man – das investierte Geld wieder zurück.

Im Jahr 1972 wurde Frau Ebner, die langjährige Mieterin(s.o.), relativ unsanft aus dem Haus befördert und ins Altenheim gesteckt.

Es begannen nun Renovierung und Ausbau. Beide Projekte wurden bis 1975 vollendet und die feierliche Einweihung fand statt – und zwar unter der Ägide von Pater Thomas von St. Blasien(OSB), dem Schwager von Bruder Otto.

Erster Eintrag im Gästebuch anlässlich der Einweihung der ausgebauten und renovierten Rottenmanner-Villa durch Pater Thomas von St. Blasien(1975):

Gästebuch St. Gallen

Pater Thomas und Schwager Othmar beim fröhlichen Umtrunk(Einweihungsfeier 1975):

Gästebuch St. Gallen

„Gekrönte Häupter“ im Stiegenhaus(Einweihungsfeier 1975):

Gästebuch St. Gallen

Eine Idee des Pater Thomas. Alle waren fasziniert!

Elmar Oberegger(li.) und Cousins beim lustigen Spiel(1975):

Gästebuch St. Gallen

Ein ganz besonderer Gast der Rottenmanner-Villa war immer Onkel Albrecht aus Klagenfurt.

Onkel Albrecht mit Gattin(li.) im Garten der Rottenmanner-Villa(Sommer 1985):

PA M.Oberegger

Dieser interessante, sympathische und witzige Mann war v.a. der „Praktischen Ornithologie“ und der Dichtkunst verbunden. Er brachte es in seiner Vogel-Dressur-Kunst so weit, dass ihm die Spatzen in seiner Klagenfurter Wohnung regelmäßig und ganz ohne Scheu Besuche abstatteten und seinen leisen Pfiffen gehorchten. Das beigegebene Foto stammt aus dem Jahr 1965.

Onkel Albrecht – Großmeister der „Praktischen Ornithologie“ (Klagenfurt 1965):

PA M.Oberegger

Daneben war er wie gesagt Hobby-Dichter und schmückte somit jedesmal am Tag der Heimreise das St. Gallener Gästebuch mit gelungenen Reimen. Das beigegebene Gedicht stammt aus dem Jahr 1985.

Gedicht des Onkel Albrecht über seinen Urlaub in der St. Gallener Rottenmanner-Villa(1985):

Gästebuch St. Gallen

Im Jahr 2002 wurde diese Zimmervermietung wie gesagt aufgegeben, ohne letzten Endes einen bedeutenden finanziellen Erfolg erzielt zu haben. Vor allem konnte nie genügend Geld für eine Renovierung des Hauses auf die Seite gelegt werden. Schlechtes Management eben…

Im Jahr 2012 verstarb Maria Oberegger, die letzte Besitzerin der Rottenmanner-Villa. Interessanterweise ist auch sie nie in dieses Haus eingezogen, sondern lebte immer in Kremsmünster.

Die Erben waren schließlich nicht geneigt, die nötigen Summen für eine Renovierung aufzubringen. Zu weit weg sei das Haus von ihren oberösterreichischen Arbeits- und Wohnorten, an eine Übersiedlung war somit wieder nicht zu denken. Als Wochenend- bzw. Urlaubs-Haus sei die Rottenmanner-Villa aufgrund der anfallenden Fixkosten summa summarum zu teuer, viel billiger käme es, sich in St. Gallen zukünftig einfach in einer Pension einzumieten, nach der Devise „Wozu eine Molkerei kaufen, wenn man nur ein Glas Milch möchte“.

Also war der Fall klar: Verkauf!

An dieser Stelle wünscht der Verfasser dem neuen Besitzer viel Glück und Freude mit diesem Haus!

 

Quellen:

Familiäre Erinnerungen.

GÄSTEBÜCHER der „Rottenmanner-Villa“(1975-2002).

 

Copyright: Elmar Oberegger 2013.