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MAX WEBER ALS GASTPROFESSOR AN DER K.K. UNIVERSITÄT WIEN(1918)

 

I: Max Weber kreuzt in Wien auf – Skodagasse 15 und Alserstrasse 33.

Max Weber(1864-1920):

WIKI GEMEINFREI

Max Weber(geb. 1864 in Erfurt, gest. 1920 in München), der große Soziologe und Kulturwissenschaftler, lehrte im Sommersemester 1918 an der Universität Wien.

Während seines Wienaufenthaltes wohnte er im 8. Bezirk Wiens in der Skodagasse 15 und zwar in der Pension Baltic, die es heute noch gibt. Schräg vis-a-vis im Haus Alserstrasse 33, welche in die Skodagasse hineinragt, befand sich bis in die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, welches auch Max Weber zum Einkehren einlud.

Das Gasthaus verschwand, das alte Biedermeierhaus wurde etwas vor 1970 gänzlich umgebaut und aufgestockt. Man schuf aus Beton und Stahl ein Gebäude, das wenig reizvoll war und das daher im Jahre 2008 abgerissen wurde. Bis dahin waren im Haus Alserstraße 33 ein Studentenheim und von 1970 bis 2002 das Institut für Soziologie der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien untergebracht, ehe es auf den Rooseveltplatz im 9. Bezirk übersiedelte und dort mit dem Institut für Soziologie der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät vereinigt wurde(Seit 2005 gehört das – nun vereinigte – Institut für Soziologie der Fakultät für Sozialwissenschaften an.).

Im Haus Alserstraße 33 habe ich übrigens die wichtigsten Jahre meines Lebens als Universitätsassistent und Universitätslehrer verbracht.

Unmittelbar neben dem Haus Alserstraße 33 befand sich auf der einen Seite eine Tabak Trafik und auf der anderen Seite das Krankenhaus „Confraternität“. Gegenüber der Alserstraße 33 lud das Cafe Daun unsere Studentinnen und Studenten ein, um sich von den Lehrveranstaltungen erholen zu können. Aber auch ich saß gerne in diesem Kaffeehaus.

Vor vielen Jahren, es war um das Jahr 1975, kam ich auf die Idee, mich in alten Universitätsakten und im Österreichischen Staatsarchiv nach Schriftstücken umzusehen, die sich auf Max Weber beziehen.(Bekräftigt in meiner Idee, den Spuren Max Webers in Wien nachzugehen, hat mich übrigens Univ. Prof. Dr. Horst Baier von der Universität Konstanz. Dafür sei ihm hier gedankt.)

Ich tat dies und fand einiges über Webers Lehrtätigkeit an der Universität Wien, aber auch Amtliches zu seiner Person und Briefe, die er geschrieben hat. Von diesen Papieren gebe ich hier zwei wieder. Als Absender Max Webers ist die Pension Baltic angegeben.

Es spricht einiges dafür, dass Max Weber sich gerne im „Goldenen Hirschen“, aus dem später das Institut für Soziologie wurde, aufgehalten hat.

 

II: Es liegen „keine Beanstandungen“ gegen Max Weber vor.

Max Weber, der bis dahin Honorarprofessor an der Universität Heidelberg war, wurde im September 1917 uni loco(als Einziger) von der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien dem k.u.k. Ministerium für Kultus und Unterricht als Professor für politische Ökonomie vorgeschlagen.

Das Ministerium zog offensichtlich Erkundigungen ein, ob Max Weber auch ein ehrenwerter und würdiger Professor sei. Darauf deutet ein Brief des Österreichischen Ministeriums des Äußeren an das österreichische Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien vom 5. Dezember 1917 hin, in dem es heißt:

„Das k.u.k. Ministerium des Äußeren beehrt sich dem k.u.k. Ministerium für Kultus und Unterricht mitzuteilen, dass – laut Mitteilungen des Großherzoglichen Badischen Auswärtigen Amtes – die allgemeine Haltung des ordentlichen Honorarprofessors in Heidelberg Dr.Max Weber zu Beanstandungen keinen Anlass gibt.“

Brief des k.u.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht(Dez. 1917):

Staatsarchiv

Unterzeichnet hat dies mit „Für den Minister“ ein gewisser Grater (wie ich zu entziffern glaube).

 

III: Die Pension Baltic - Max Weber, der „Entzauberer“, unterliegt dem Zauber Wiens und den schönen Wiener Mädchen.

Im April 1918 übersiedelt Max Weber nach Wien. Max Weber ist von Wien begeistert. Marianne Weber, seine Frau, schreibt:

„Erster Frühling breitet sich leise über die herrliche Stadt ... Alles lächelte ihn an: die milde, schon südlich anmutende Landschaft, wie das Entgegenkommen der Kollegen(!) und die liebenswürdige Aufgeschlossenheit der anderen.“(1989, S. 616).

Als Quartier bezieht Max Weber ein Zimmer in der Pension Baltic im 8. Wiener Bezirk in der Skodagasse 15, in der man sich heute noch einquartieren kann.

Ich suchte im März 2012 die Pension Baltic auf, um mich auf den Spuren Max Webers zu bewegen und mir ein Bild davon zu machen, in welcher Umgebung er während seines Wienaufenthaltes gelebt und gearbeitet hat. Die Pension hat sich, wie ich erfreut bemerkte, in ihrem Stil und ihren Einrichtungsgegenständen seit der Zeit Max Webers kaum verändert.

Hier in der Skodagasse 15 in der Pension Baltic residierte Max Weber während seines Wienaufenthaltes im Jahre 1918:

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

Der freundliche Portier der Pension, Herr Raimund Strohmayr, dem ich hier sehr danken will, zeigte mir bereitwillig die Zimmer des Hauses.

Von einem Fenster eines Zimmers, in dem Max Weber gelebt haben könnte, besah ich mir die Gärten der Hinterhöfe, auf die Max Weber blickte und deren Vogelgezwitscher ihn erfreut haben dürfte, wie Marianne Weber in der Biographie Max Webers andeutet (s.u.). Jedenfalls machte mir die Pension einen guten Eindruck. Ich fotografierte fleißig und bin mir sicher, dass Max Weber sich hier wohl gefühlt hat.

Im Frühjahr 1918 ist Weber von Wien begeistert, obwohl noch Krieg herrscht. Er ärgert sich allerdings über die Pflichtbesuche bei seinen Kollegen, die ihn als Fußgänger und als Benutzer der „elektrischen“ Straßenbahn (er nennt sie die Elektrik) angestrengt haben dürften. Er meint dazu:

„Ich bin rasend strapaziert durch das Gehen und Stehen in der Elektrik. Die Besuche sind eine furchtbare Belastung, ich halte das nicht aus“(zit. in: Marianne Weber 1989, S. 616).

Auch eine Wanderung mit Kollegen von der Universität auf den Kahlenberg ermüdet ihn. Über diese Wanderung, die ihm zunächst behagte, ist zu lesen:

„Weber labt sich an dem herrlichen Blick auf die große Stadt und das Rund sanft geschwungener waldiger Höhen, hinter denen fern das Hochgebirge dämmert. Er ist heiter und rühmt die linde Schönheit und Deutschheit dieses Bildes. Sie wandern gegen Abend über die reifenden Korn tragenden Hügel hinab, zurück bis zur Elektrik (Straßenbahn) in einer der Vorstädte. Aber Weber ist erschöpft, ehe er sie erreicht hat, und wird plötzlich unmutig“(a.a.O., S. 618).

Max Weber genießt dennoch das Leben in Wien, vor allem bei gutem Essen. Er schreibt dazu:

„Nun bin ich schon 8 Tage in der – bezaubernd schön im Frühlingsschmuck stehenden – Stadt, war eben in der Hofoper, im Prater ... gegen Abend locken die Cafes wie immer. Der Magen ist froh, den deutschen Kartoffeln entronnen zu sein. Denn davon ist hier keine Rede ... Eier, daneben auch Fleisch und jetzt Frühlingsgemüse isst der Mann, der das bezahlen kann. Ich bin immer satt (!!) – der Körper freut sich des vielen Eiweiß. Freilich sind die Preise phantastisch!“

Besonders angetan hatte es Max Weber sein Zimmer in der Pension Baltic mit dem Blick ins Grüne. Er schwärmt davon.

Ein Zimmer der Pension Baltic - seit der Zeit Max Webers dürfte sich hier nicht viel geändert haben. In einem solchen oder einem ähnlichen Zimmer - mit Blick auf den Garten im Hinterhof- wohnte Max Weber .

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

Auf diesen Wiener Hinterhof-Warten im 8. Bezirk blickte Max Weber und erfreute sich an diesem:

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

Geärgert hat er sich allerdings über ein junges Ehepaar im Nebenzimmer, das sich seiner Meinung nach nicht gerade leise und wohlgesittet aufgeführt hat. Max Weber schreibt:

„Die Wohnung (in der Pension Baltic) ist ordentlich, vor allem sauber. Lästig ist neben mir ein junges Ehepaar mit den üblichen Untugenden eines solchen, besonders nach Tisch. Sonst wäre es geradezu ideal! Denn vor dem Fenster grünen die Bäume, sie verdecken die nüchternen Hinterhausfronten fast ganz“(a.a.O., S. 620 f.).

Weiter heißt es:

„... Sonst lebe ich sehr gut. Samstag ist in der Pension brotloser Tag. Da isst man dann Eier und freut sich des Vorwands dafür, denn das Maisbrot ist ein elendes Zeug. – Der Lebenslauf des Tages ist also: Morgens nach dem Tee zur Bibliothek bis ½1 (Uhr), dann zum Essen, dann die halbe Stunde Ruhe, während deren das verdammte junge Ehepaar (!!) mich nicht schlafen zu lassen entschlossen scheint. Dann Bibliothek, von 3 Uhr bis 6 Uhr, dann ins Cafe oder spazieren, dann nochmals bis 8 Uhr Bibliothek, dann zu Klomser oder in ein Speisehaus zum Essen, dann zu Hause Zigarre (durch gütige Vermittlung erstandene seltene Kostbarkeit!), dann zu Bett“(a.a.O., S. 621).

Max Weber berichtet seiner Frau schließlich:

„Hier vor meinem Fenster habe ich einen großen, dicht mit alten Bäumen bestandenen Binnenhof, Vögel sind drin, sonst Totenstille. So etwas gibt es nur in Wien im Stadtinneren. Ich wohne 10 Minuten von der Universität, die am Ring gegenüber dem Hofburgtheater liegt ... Man hört den Stadtlärm nur von Ferne brausen.“

Er kommt nun wieder auf das junge Ehepaar im Nebenzimmer zu sprechen:

„... und wenn nicht ein junges Ehepärchen nebenan sein Wesen triebe, so wäre dies geradezu ideal. Jedenfalls lebe ich unter gesundheitlich denkbar günstigen Bedingungen.“(a.a.O., S. 622).

Freude bereitet Max Weber der Innenhof der Pension Baltic:

„Hier jubilieren die Drosseln in dem schönen sehr großen Wiener Binnenhof mit einem Park alter Bäume, auf die mein Fenster hinausschaut, und die alte Stadt schmückt ihre bezaubernde Vornehmheit mit dem wunderbarsten Frühling aller Stadien. Je nachdem, ob man in den Vorfrühling des Kahlenbergs per Zahnradbahn hinauffährt oder in der eben vollendeten Obstbaumblüte bleibt, oder in der Üppigkeit des Praters mit seinen Wiesen, Alleen und Frühlingskorsos ... die allgemeine Eleganz ist fabelhaft, für phantastische Preise isst man phantastisch gut, wie im Frieden, labt sein Auge an den doch wirklich erstaunlich schönen Mädchen ...“(a.a.O., S. 623).

Aber auf Dauer will Max Weber doch nicht in Wien bleiben:

„Eine ,Heimat‘ kann das nicht geben. Aber alle 2 Jahre ein halbes Jahr hier – das würde mir schon passen.“

Max Weber, dem wir den Begriff von der „Entzauberung" der modernen Welt verdanken, ist jedenfalls von Wien und seinen schönen Mädchen verzaubert.

 

IV: Max Weber wartet auf Geld vom „Staat“.

Die Adresse der Pension Baltic befindet sich als Absender auf einem Brief, den Max Weber am 9. April 1918 an das Ministerium richtete und den ich im Österr. Staatsarchiv gefunden habe.

Handschriftlicher Brief Max Webers an das k.u.k. Ministerium für Unterricht wegen seines zu erwartenden Honorars – Adresse des Absenders: Pension Baltic:

Staatsarchiv

Es geht dabei um das ihm zustehende Honorar, auf das er, so scheint es, ungeduldig gewartet hat. In diesem Brief heißt es:

„... bitte ich, nachdem ich übersiedelt bin – vorläufig – die oben angegebene Wohnung genommen habe, gemäß der geneigten Verfügung vom 11. Januar Z 39798/17-VII die zuständigen Beträge mir durch die Kassa an die Allgemeine Depositenbank Schottengasse, hier, auf Giro-Konto überweisen zu wollen. Anbei gestatte ich mir in betreff der Reisekosten zu bemerken, dass ein Billet 2. Klasse Heidelberg–München–Wien 35,90 + 47 = 82,90 Reichsmark kostet. Ehrerbietigst Professor Dr. Max Weber“.

Tatsächlich dürfte Max Weber sich über mangelnde Zahlungsmoral des Ministeriums geärgert haben. In einem Brief an Marianne Weber, in dem er zunächst Wien lobt, meint er:

„... Die Stadt ist nach wie vor bezaubernd schön, sowohl der junge Frühling wie die alte Vornehmheit der Straßen und Höfe in ihrem schweren Barock. Die sonstigen Verhältnisse sind nur da lästig, wo man mit dem ,Staat‘ zu tun hat. Z.B. bis heute habe ich noch kein Geld, aller List und Tücke ungeachtet“(a.a.O., S. 621).

Max Weber flucht geradezu:

„... die verfluchte österreichische Staatskasse, die in ihrer unendlichen Gemütlichkeit nun schon 2 1/2 Wochen braucht, um den Entschluss zu fassen, mir mein Geld auszubezahlen. Sonst ist aber alles sehr bezaubernd, die alte Stadt im Frühlingsschmuck: morgens wecken mich die Drosseln in dem großen parkartigen Hof mit den alten Bäumen vor meinem Fenster ...“(a.a.O., S. 622).

Obwohl es Weber in Wien gefällt, reicht er – vielleicht ist er weiterhin über das mit dem Geld nachlässige k. u. k. Ministerium verärgert – am 5. Juni 1918 sein Entlassungsgesuch ein, in welchem er erklärt, „dass er zu seinem Bedauern zu dem Entschluss gelangt sei, seine Lehrtätigkeit an der Wiener Universität nach Ablauf des SS 1918 nicht fortzusetzen“(Ehrle 1991).

Max Weber verlässt nun die Pension Baltic und folgt einem Ruf an die Universität München.

 

V: Das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, an dessen Stelle später das Institut für Soziologie und ein Studentenheim entstanden

Wie schon erwähnt, befindet sich die Pension Baltic schräg vis-a-vis gegenüber dem Haus Alserstraße 33, in dem von 1971 bis 2002 das Institut für Soziologie der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und ein Studentenheim untergebracht waren.

Ursprünglich jedoch befand sich in diesem Haus das Hotel und Restaurant „Zum Goldenen Hirschen“, das ich als junger Student häufig und gerne aufgesucht und in dem ich bisweilen ein Glas Bier geleert habe. Dieses gastliche Lokal mit seinem schönen Gastgarten soll auch das Stammlokal des Wiener Schauspielers Hans Moser gewesen sein.

Gasthaus „Goldener Hirsch“ um 1900. Über dem Fenster des 1. Stockes ist zu lesen: PILSNER BIER-HEILANSTALT. Aus dieser schönen „Heilanstalt", in der wohl auch Max Weber sich auskuriert haben mag, entstand um 1970 das Institut für Soziologie.

Sammlung Prof. Dr. Roland Girtler

Ich bin mir sicher, dass Max Weber sich ebenso gerne in diesem gemütlichen Gasthof aufgehalten hat, um sich von seinen Vorlesungen zu erholen.

Darauf deutet dieser Hinweis aus dem Buche Marianne Webers hin:

„Nachdem die ihn noch im Korridor (der Universität) umdrängenden Fra­gesteller geduldig befriedigt sind, schleicht er (Max Weber) stumm zum ,silbernen Brunnen‘. Das Mahl dort und die Zigarre stellen ihn allmählich wieder her“(a.a.O., S. 618).

Sicherlich trug auch das Bier das Seine dazu bei, dass Max Weber sich wieder wohlfühlte. Der von Weber genannte „silberne Brunnen“ ist wohl eine Umschreibung des Gasthauses „Zum Goldenen Hirschen“, denn tatsächlich, wie eine alte Ansichtskarte zeigt, stand am Platz vor dem „Goldenen Hirschen“ ein Brunnen mit einer silbern anmutenden Frauenstatue .

Restaurant - Hotel „ Zum Goldenen Hirschen“ um 1920 mit dem „silbernen Brunnen“ davor. Der „Goldene Hirsch“ ist inzwischen aufgestockt worden und statt des Pilsner Bieres gibt es nun Gösser Bier.

Sammlung Prof. Dr. Roland Girtler

Auf einer anderen alten, beigefügten Ansichtskarte aus der Zeit um 1900 steht über dem Eingang des Gasthauses „Zum Goldenen Hirschen“ mit großen Buchstaben: „PILSNER BIER-HEILANSTALT“. Man hat hier damals also Pilsner Bier getrunken, von dem man sich offensichtlich „Heilung“ von allerlei psychischen Problemen erhofft hat.

Vielleicht war dies auch der Grund, dass Max Weber dem Biergenuss sehr zugetan war, wie in der Biographie Max Webers von Marianne Weber zu lesen ist.

Ich denke mit Wehmut an diesen alten Gasthof „Zum Goldenen Hirschen“, den Max Weber gekannt hat und der sich in einem schönen Altbau, einem lieblichen Biedermeierhaus, befand. Hier dürfte Max Weber einige Biere getrunken haben.

 

VI: Max Weber, der Biertrinker -Trinkfestigkeit, Bierduelle und „Hundsfott“.

Ich gestatte mir hier einen Einschub, der sich auf Max Webers Beziehung zum fröhlichen Biergenuss bezieht. Auch während der Monate, die er in Wien verbrachte, dürfte Max Weber in gepflegter Weise Bier getrunken haben.

So sah der Gastgarten des Gasthauses „Zum Goldenen Hirschen“ noch um 1965 aus - ehe hier ein Zubau und eine Betonhütte errichtet wurde.

Sammlung Prof. Dr. Roland Girtler

Bereits während seiner Studentenzeit in Heidelberg trank Max Weber mit Freuden Bier. Er wurde Mitglied der Burschenschaft „Allemannia“, er schlug Mensuren und zweimal wöchentlich traf er sich mit seinen Freunden von der Burschenschaft zum geselligen Umtrunk. Er gab sich einem feuchtfröhlichen Burschenleben hin und zeichnete sich, wie Marianne Weber schreibt, bald durch „hervorragende Trinkfestigkeit“ aus. Es gehört zur Ehre der Burschen, diszipliniert viel Bier zu trinken, ohne dabei seine Haltung zu verlieren. Wahrscheinlich durch den Biergenuss nahm der leibliche Umfang Max Webers in Heidelberg zu.

Als seine Mutter ihm zum erstenmal in dieser Verwandlung und mit einem breiten Schmiss quer über die Wange begegnete, wusste die tatkräftige Frau Staunen und Schreck nicht anders als durch eine schallende Ohrfeige (!) auszudrücken.“(Marianne Weber 1989, S.73 f.)

Besonders angetan hatte es Max Weber in der Burschenschaft der „gemeinsame Gesang der herrlichen Burschen- und Vaterlandslieder, deren Melodien ihn bis an sein Ende begleiteten“(a.a.O., S. 74).

In einer späteren Rückschau auf die Zeit in der Burschenschaft hielt Weber fest:

„Die übliche Dressur zur Schneidigkeit im Couleurleben (in der Burschenschaft) und als Unteroffizier hat zweifellos seinerzeit stark auf mich gewirkt und die ausgeprägte innere Schüchternheit und Unsicherheit der Knabenjahre beseitigt“(a.a.O., S. 75).

Auf Trinkrituale und die Bierfröhlichkeit Max Webers weist auch diese Geschichte hin, die sich in Freiburg abspielte, dorthin wurde Max Weber 1894 berufen. Auf einem Festkommers, einer studentischen rituellen festlichen Veranstaltung, bei der Bier getrunken wird, gewinnt er gegen einen Kollegen einen „vierfachen Bierjungen“.

Mit „Bierjunge“ wird ein Bierduell bezeichnet, das dadurch eingeleitet wird, dass ein Teilnehmer an einer solchen festlichen Veranstaltung einen anderen Teilnehmer in heiterer Weise als „Bierjungen“ bezeichnet. Dies gilt als Beleidigung, die der andere mit einer Forderung zu einem „Bierduell“ beantwortet. Bei diesem Bierduell leeren nach einem bestimmten Ritual die Kontrahenten ihre Biergläser. Derjenige, der zuerst das Glas ausgetrunken hat, gilt als Sieger. Max Weber muss also ein tüchtiger Trinker gewesen sein, was seinen Studenten offensichtlich gefiel. Sie waren erstaunt.

Max Weber entsprach nicht dem klassischen Professoren-Typus, wie Marianne Weber schreibt. Er liebte es schließlich mit seinen Studenten nach den Seminaren bei einem Bier beisammen zu sitzen.(a.a.O., S. 217) Noch etwas fällt auf: Wenn Max Weber sich über jemanden ernstlich ärgert, bezeichnet er ihn als „Hundsfott“. Das Schimpfwort „Hundsfott“ entstammt einem studentischen alten Brauch bei Festkommersen, bei denen in einem Rundgesang der „Landesvater gestochen wird“. Dabei stehen sich zwei Freunde gegenüber, die im Laufe des Gesanges aufstehen und ihre Mützen durch je einen Schläger, eine Art Säbel, stechen. Dem Gegenüber wird die Freundschaft geschworen, und zwar mit diesen Worten: „Solange wir uns kennen, wollen wir uns Bruder nennen – ein Hundsfott, der dich schimpfen sollt.“ Also derjenige, der den Freund beleidigt, wird als Hundsfott, eine üble mittelalterliche Beschimpfung, bezeichnet. Danach trinken die beiden einander mit einem Bierglas zu.

Max Weber dürfte Freude an solchen Ritualen und an dem Wort „Hundsfott“ gehabt haben. So meinte er, um die Burschenschaften nach dem 1. Weltkrieg zu kritisieren, die seiner Meinung nach zu wenig für die Menschen in Deutschland getan haben: „Ein Hundsfott aber, der Couleur trägt, solange Deutschland am Boden liegt!“(a.a.O., S. 644).

Max Weber verlangte offensichtlich von den Burschenschaften, dass sie aktiv den Menschen helfen, die durch den ersten Weltkrieg Furchtbares zu leiden hatten und nun unter Hunger litten. Die Burschenschaft war verärgert über Max Weber und protestierte gegen ihn. Nun tritt er aus der Verbindung aus, offensichtlich enttäuscht. Ein andermal meint Weber ganz im Sinne der liberal-deutschnationalen Ideen der Burschenschaft, die keine rassistischen und imperialistischen waren:

„Zur Wiedererrichtung Deutschlands in seiner alten Herrlichkeit würde ich mich gewiss mit jeder Macht der Erde und auch mit dem leibhaftigen Teufel verbünden, nur nicht mit der Macht der Dummheit. Solange aber von rechts und links Irrsinnige in der Politik ihr Wesen treiben, halte ich mich fern von ihr“(a.a.O., S. 685).

Soweit ein paar Gedanken zu Max Webers Beziehung zur Kultur des Biertrinkens, aber auch zur alten studentischen Kultur, wobei er geradezu seherisch vor dem „Irrsinn“, der sich andeutet, warnt. Es ist durchaus möglich, dass sich Max Weber während seines Wienaufenthaltes auch im Gasthof „Zum Goldenen Hirschen“ an der Alserstraße 33 über politisch heikle Themen unterhalten hat. Jedenfalls tat er dies im Cafe Landtmann (siehe später).

 

VII: Max Weber im Wiener Feuilleton - „hochgewachsen und vollbärtig gleicht er einem der deutschen Steinmetze der Renaissance“

Max Weber, der gegenüber dem Haus Alserstraße 33 in der Pension Baltic im Jahre 1918 residierte, dürfte hohes Ansehen in der Wiener intellektuellen Gesellschaft genossen haben. Darauf deutet ein Feuilleton von Dr. Erich von Karningen im „Neuen Wiener Tagblatt“ vom 16. Juli 1918 hin (ich besitze es).

Neues Wiener Tagblatt, 16. Juli 1918 – „Ein deutscher Professor“.

In diesem wird unter dem Titel „Ein deutscher Professor“ einleitend Max Weber geradezu als Lichtgestalt oder als eine Art Prophet geschildert, der als Gelehrter in einer pessimistischen Zeit nach dem 1. Weltkrieg scharfsinnige Gedanken zu verkünden hat.

Im „Neuen Wiener Tagblatt“ ist schließlich über Max Weber dies zu lesen:

„Seit einigen Wochen knüpft sich das Tagesgespräch an den Namen eines Mannes, der weder Theaterdirektor, noch Schauspieler oder Sänger ist, sondern nur ein Nationalökonom, ein Professor. Ein reichsdeutscher Professor. Als der Heidelberger Gelehrte Max Weber zum Nachfolger des verstorbenen Philippovich ausersehen wurde, kannten ihn nur die Wiener Fachgenossen. Höchstens einige besonders eifrige Studierende, die in seinen Werken, etwa in der tiefgründigen, ‚Wirtschaftsethik der Weltreligionen‘, gelesen hatten. Der großen Masse der Gebildeten war sein Name ein bloßer Klang, der rasch verhallt. Nun ist er ein Weckruf geworden, eine Fanfare. Dabei hatten gerade in letzter Zeit die Sehrgescheiten die Anschauung verbreitet, dass die großen deutschen Professoren ausgestorben sind. In dem Zeitalter der Vorherrschaft des Kontors ist eben kein Platz mehr für die Arbeit der humanistisch geschulten Gelehrten. Auch gäbe es in unserer mechanisierten Gesellschaft sicherlich niemand mehr, der sie hören würde. Bis Max Weber zu uns kam und zu sprechen begann. Da verflogen diese aufdringlichen und vorlauten Meinungen wie Fliegen vor einer abwehrenden Handbewegung. Hochgewachsen und vollbärtig gleicht der Gelehrte einem der deutschen Steinmetze aus der Zeit der Renaissance. Nur die Augen haben nicht das Unbefangene und die Sinnesfreude des Künstlers. Der Blick kommt aus dem Innersten, aus verborgenen Gängen, und schweift in weiteste Ferne. Diesem Äußeren des Mannes entspricht auch die Ausdrucksweise. Sie hat etwas unendlich Plastisches. Es ist eine fast hellenische Art des Sehens, die hier zutage tritt. Die Worte sind einfach geformt und wenig behauen. In ihrer ruhigen Schlichtheit erinnern sie an zyklopische Quader. Erscheint aber im Mittelpunkte der Betrachtung eine Person, dann bekommt sie sofort etwas Monumentales. Jeder Zug ist wie in Marmor gemeißelt und dabei in hellster Beleuchtung. Ab und zu wird die Rede durch eine leichte Bewegung der Hand unterstützt. Feingliedrig und schmal, mit spitz zulaufenden Fingern und einem etwas eigenwilligen Daumen ließe sie eher auf eine Petroniusnatur (gest. 66 n.Chr. röm. Schriftsteller, gebildeter Kenner feiner Genüsse, Verfasser des Romans ,Satyrikon‘, R.G.) schließen als auf einen Gelehrten. Seit den Tagen von Unger, Lorenz von Stein ... hat noch kein akademischer Lehrer an der Wiener juristischen Fakultät so viele Hörer um sich versammelt wie Max Weber. Es ist aber keineswegs die rhetorische Meisterschaft des Mannes allein, die diese außerordentliche Anziehungskraft hervorruft. ... Aus jedem Worte geht deutlich hervor, dass er sich als Erbe der deutschen Vergangenheit fühlt und vom Bewusstsein seiner Verantwortlichkeit vor der Nachwelt beherrscht wird. Und dies mag manchem zum Menetekel geworden sein. Denn die Fähigkeit geschichtlich (!!! – R.G.) zu empfinden, ist immer mehr abhanden gekommen. Aber es wurde auch versäumt, an der Brücke zu bauen, die in die Zukunft führt... Er ist durch und durch national, aber kein Nationalist. Und bei allem Verständnis für fremde Geschichte und Eigenart weit entfernt von dem gewissen Internationalismus, der in letzter Zeit um sich gegriffen hat, vielleicht als eine überdies verständliche Reaktion gegen die Ausartungen des Völkerhasses. Um Kosmopolit zu sein, ist Weber wieder viel zu sehr mit Grund und Boden verwachsen. Er hat nichts von der Geistesrichtung jener entwurzelten Stadtmenschen, die, fremd im eigenen Volke, den Sinn für den Duft und die Umrisse der Heimat verloren haben ... Sicherem Vernehmen nach kehrt Max Weber wieder nach Heidelberg zurück. Zum großen Schaden für das geistige Leben in unserer Stadt. Schon die kurze Anwesenheit des Gelehrten hat einen dauernden Gewinn gebracht. Das felsenfeste Vertrauen auf die ungebrochene Kraft der deutschen Sozialwissenschaft ... Der kommende Friede wird sicherlich kein Zeitalter des Flötenblasens und der Schäferspiele bringen. Neue Bevölkerungsschichten, die eine außerordentliche ökonomische Kraft gewonnen haben, werden um die politische Macht kämpfen ... Aber trotz allem werden die Flammen des östlichen Brandes nicht herüberschlagen, Browning und Handgranaten sich nicht zu Argumenten im politischen Kampfe verwandeln. In Deutschland wird Kain den Abel nicht erschlagen!“

Max Weber hat die Wiener gebildete Gesellschaft fasziniert. Bis heute ist es ein Rätsel, warum Weber Wien wieder verlassen hat, obwohl er sich hier - so scheint es – wohlgefühlt hat.

 

VIII: Wutausbruch Max Webers im Café Landtmann - die Begegnung mit Joseph Schumpeter

Max Weber hatte aber auch Ärger in Wien, zumindest mit dem großen Nationalökonomen Joseph Schumpeter(1883-1950), dem späteren österreichischen Finanzminister(1919-1920) und Professor an der Harvard-Universität (ab 1932). Darüber berichtet Felix Somary in seiner Schrift „Max Weber und Schumpeter in Wien“(1955).

Joseph Schumpeter(1883-1950):

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Max Weber wird von Somary als „nervöser Stürmer und Hugenotte mit tiefsten Überzeugungen, für die er mit aller Seelenkraft einstand“, geschildert. Nach Somary kämpfte Max Weber „immerfort, auch wenn es sich um kleinste lokale Dinge handelte ... Er nahm nichts im Leben leicht.“

Schumpeter, den Somary Weber gegenüberstellt, wird von ihm gänzlich anders geschildert: „Schumpeter dagegen nahm nichts im Leben schwer. Er war im Wiener Theresianum erzogen worden, wo man die Zöglinge lehrte, über den Dingen zu bleiben und in keinem Fall persönlich zu werden.“

Diese beiden sehr unterschiedlichen Herren trafen sich, wie Somary schildert, im Cafe Landtmann, dem Kaffeehaus gegenüber dem Hauptgebäude der Wiener Universität. Ich schätze dieses Kaffeehaus mit seinen netten Kellnern (wie Engelbert Auer), seiner freundlichen Atmosphäre und den Stammtischen sehr. Meine Besprechungen und auch Prüfungen von Studenten pflege ich in diesem alten Wiener Kaffeehaus, das dereinst dem Großvater meiner lieben Freundin und Kollegin Gritschi Kerl gehört hat, durchzuführen.

Cafe Landtmann in Wien, unweit der Universität. Zur Zeit Max Webers hat es hier ähnlich ausgesehen. Hier kam es zur Beschimpfung Josef Schumpeters durch Max Weber.

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

In diesem klassischen Wiener Kaffeehaus fand also die Begegnung von Max Weber und Joseph Schumpeter statt, wahrscheinlich im Frühsommer 1918.

Schumpeter wurde von Felix Somary und Weber von dem Historiker Ludo Moritz Hartmann begleitet. Somary meint, er habe der Zusammenkunft von Schumpeter und Weber mit Besorgnis entgegengesehen, „denn man könne sich kaum größere Gegensätze als die beiden vorstellen“.

Schumpeter und Weber kamen bei ihrem Gespräch im Cafe Landtmann u.a. auch auf die russische Revolution zu sprechen. Schumpeter soll sein Vergnügen darüber geäußert haben, dass mit dieser Revolution der Sozialismus Wirklichkeit geworden wäre, er müsse allerdings seine Lebensfähigkeit erst erweisen.

Weber erklärte erregt dazu, dass der Kommunismus in Russland ein Verbrechen sei, denn mit ihm sei unerhörtes menschliches Elend verbunden.

Schumpeter stimmte dem zu, erklärte jedoch, dass ihn dieses Experiment des Kommunismus interessiere.

Dies verstand Weber nicht und meinte, das Experiment des Kommunismus wäre „ein Laboratorium mit gehäuften Menschenleichen“.

Schumpeter antwortete, dass dies auch jede Anatomie sei.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde Weber „heftig und lauter, Schumpeter sarkastischer und leiser“.

Somary schildert weiter: „Ringsum unterbrachen die Kaffeehausgäste ihre Spielpartien (damals war es offensichtlich üblich, dass im Landtmann auch Schach und Karten gespielt wurde) und hörten neugierig zu.“

Das Ende der Unterhaltung sah dann so aus:

„Weber sprang auf und mit den Worten ,das ist nicht mehr auszuhalten‘ eilte er auf die Ringstraße hinaus, gefolgt von Hartmann, der ihm den Hut nachbrachte und ihn vergebens zu beruhigen versuchte.“

Schumpeter, der mit Somary im Landtmann zurückblieb, bemerkte lächelnd:

„Wie kann man in einem Kaffeehaus nur so brüllen!“

Somary erwähnte dazu, beide hätten „zuviel Charakter, um Kompromisse schließen zu können.“

Max Weber war über Schumpeters Stellung zum Experiment des Kommunismus und seinen Sarkasmus empört. Für Webers Neutralität jedoch in wissenschaftlichen Dingen spricht, so meint Somary, dass er Schumpeter für eine Nachfolge auf die Lehrkanzel von Eugen von Philippovich vorgeschlagen habe. (siehe Ehrle 1991)

Café Landtmann um 1920:

Sammlung Prof. Dr. Roland Girtler

 

IX: Ein Glas Bier zur Erinnerung an Max Weber -ein Ziegelstein als Rest des alten Instituts für Soziologie.

Max Weber war in einer Zeit des Umbruchs nach dem 1. Weltkrieg in Wien. Ihm dürfte es hier gefallen haben, obwohl er nur das Sommersemester 1918 in der alten Reichs- und Residenzstadt verbracht hat.

Er erlebte Wien mit seinen Gasthöfen und Kaffeehäusern, in denen er sich erholte, in denen er aber auch intellektuelle Gefechte durchgeführt haben mag. Zumindest eines vom Cafe Landtmann ist überliefert.

Max Webers Werk mit seinen für die Soziologie wichtigen Beziehungen zur Geschichte, die oft von Soziologen vernachlässigt wird, wirkt weiter im neuen Haus des Instituts für Soziologie am Rooseveltplatz unweit des Hauptgebäudes der Wiener Universität.

Das neue Institut ist ungleich eleganter und schöner als unser altes Institut in der Alserstraße, an das ich dennoch mit Sympathien denke. Schließlich hat sich dieses aus dem Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ entwickelt, in dem auch Max Weber manchmal ein Bier getrunken haben mag.

Ich werde demnächst im Cafe Landtmann mit Studentinnen und Studenten ein Glas Bier zur Erinnerung an Max Weber, dem wir alle viel verdanken, erheben. Ich denke, dies ist im Sinne Max Webers, der angeblich mit Studenten Nächte durchgezecht hat. Er hatte übrigens, wie auch ich, keine Sekretärin. Ein sympathischer Herr!

Der letzte Ziegelstein des Hauses Alserstraße 33, in dem dereinst das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ und das Institut für Soziologie untergebracht war - in Girtlers Vitrine zu bewundern.

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

Im August 2012 fuhr ich wieder einmal mit meinem Fahrrad in den 8. Bezirk in die Alserstraße.

Dort, wo dereinst das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, aus dem ein unansehnliches Gebäude wurde, in dem das Institut für Soziologie untergebracht war, stand, erblickte ich unmittelbar neben der Krankenanstalt Confraternität hinter Plakatwänden einen leeren Platz. Hier stand also das Haus, in dem ich meine Karriere als Universitätslehrer begann und die interessantesten Jahre meines Lebens verbracht habe. Nichts erinnerte mehr an dieses Haus, außer ein paar Ziegelsteine, die hier noch herumlagen. Sie waren vom Abbruchunternehmen offensichtlich vergessen worden. Einen Ziegelstein hob ich auf und nahm ihn mit zur Erinnerung an das alte Institut, aber auch an Max Weber, der in der nahen Pension Baltic im Jahre 1918 ein schönes Sommersemester verbracht hat. Für mich war die Soziologie, wie sie Max Weber verstanden hat, ungemein wichtig. Sie bestärkte mich in der Art meines Forschens, nämlich darin herauszufinden, wie die Menschen ihre Welt selbst deuten (und nicht wie dies weise Leute für sie tun). Insofern war mir Max Weber stets nahe, obwohl es schon lange her ist, dass er in der Pension Baltic gewohnt hat.

Dieser Ziegelstein, den ich hier aufgehoben habe, erinnert mich an unser altes Institut, aber auch an Max Weber. Er ist in meiner Vitrine zu bewundern.

Hinter dieser interessanten Plakatwand befindet sich der Platz, auf dem dereinst das Haus Alserstraße 33 stand, in dem das Institut für Soziologie und ein Studentenheim untergebracht waren (Okt. 2012).

Copyright: Prof. Dr. Roland Girtler

 

X: Literatur.

EHRLE Franz-Josef: Max Weber und Wien. -Bonn 1991(Diss.masch.).

GIRTLER Roland: Max Weber in Wien. Sein Disput mit Joseph Schumpeter im Cafe Landtmann; das alte Institut für Soziologie: Paul Neurath, Rene König und seine übrigen Bewohner nebst dazugehöriger Geschichten über Trinkrituale, Duelle und Ganoven(erscheint 2013 im Lit-Verlag!).

GIRTLER Roland: 10 Gebote der Feldforschung. –Wien/Münster 2004.

SOMARY Felix: Max Weber und Schumpeter in Wien. –München 1955.

WEBER Marianne: Max Weber – Ein Lebensbild. -München 1989.

WEBER Max: Wirtschaft und Gesellschaft. -Tübingen 1922.

 

Copyright: Univ.-Prof. Dr. Roland Girtler 2012.