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>> ERSTE (ÖSTERREICHISCHE) EISENBAHNGESELLSCHAFT.

 

Die „Erste (österreichische) Eisenbahngesellschaft“ wurde im Jahre 1825 von Professor Franz Anton von Gerstner(1796-1840) gegründet. Voraussetzung hierfür war die Erteilung des kaiserlichen Privilegiums betreffs der Errichtung einer „Holz- und Eisenbahn“(= Eisenleisten auf Holzbalken) von Budweis nach Mauthausen vom 7. September 1824.

 

Der ursprüngliche Plan: Budweis-Mauthausen.

Copyright: Elmar Oberegger

Aufgrund von verkehrspolitischen und ökonomischen Überlegungen entschied sich die Gesellschaft schließlich für „Urfahr(Linz)“ als Endpunkt. Die entsprechende kaiserliche Genehmigung erfolgte am 10. Oktober 1830.

Im Jahr 1857 wurde die „Erste Eisenbahngesellschaft“ von der neuen „Kaiserin Elisabethbahn-Gesellschaft“ aufgekauft und löste sich sodann selbst auf. Die von ihr zuvor errichteten Linien(1106mm) wurden in der Folge einerseits umgespurt, andererseits aufgelassen und durch Neubauabschnitte ersetzt. Dieses Programm konnte erst 1903 abgeschlossen werden(= Umspurung Lambach-Gmunden).

Überreste der Pferdeeisenbahn Budweis-Urfahr an der österreichisch-tschechischen Staatsgrenze(Eisenhut):

Copyright: Elmar Oberegger

Das linke Brücken-Widerlager liegt in Tschechien, das rechte in (Ober-)Österreich.

Das Netz der „Ersten Eisenbahngesellschaft“, welches bis 1855 ausschließlich mit Pferden betrieben wurde, setzte sich 1857 aus folgenden Linien zusammen:

1) Budweis-Urfahr b. Linz (eröffnet 1832).

2) Urfahr b. Linz - Gmunden-„Bürgerliche Salzaufschütt“ am Rathausplatz (eröffnet 1836).

3) Zizlauer Zweigbahn (1836).

Von Lambach aus existierten Postkutschen-Kurse nach Salzburg und Ried im Innkreis, via Zizlau führte der Donau-Wasserweg bis nach Wien. Diese drei Linien gaben der Gesellschaft eigentlich ihre natürliche Weiterentwicklung vor. Doch von einer solchen nahm man aber letztlich Abstand.

Das Netz im Kontext:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Linie Linz - Gmunden-Personenbahnhof(Annastr.) wurde 1855/56 auf Dampfbetrieb umgestellt und dabei im Bereich der „Kerschbaumer Reib“ umtrassiert. Alle anderen Linien wurden weiterhin mit Pferden betrieben.(s.o.)

Pferdebahnmäßiger Gütertransport(Modell):

Aus: Die ÖBB in Wort und Bild 8/72, 23.

Schon der Vater Gerstners hatte 1808 in seiner legendären „Prager Rede“ für die Errichtung einer „Eisenbahn“ zwischen Moldau und Donau plädiert. Er fand damals jedoch keinerlei Gehör, allzu revolutionär mutete sein Gedanke an. Erst vor dem Hintergrund der 1819 in Dresden eröffneten „Elb-Konferenz“ wurde der alte Gerstnersche Plan politisch einflußreich.

Dort ging es in erster Linie darum, auf der Elbe die freie Fahrt bis zum Nordseehafen Hamburg dauerhaft zu gewährleisten; andererseits aber auch darum, diesen Verkehrsweg mit den nötigen Zulauf-Linien auszustatten. Somit stand auch der Moldaufluß zur Diskussion und ebenso das alte Problem einer modernen Verbindung zwischen Moldau und Donau.

Bisher hatte man diesbezüglich immer mit der „Kanal-Variante“ spekuliert. Erst Gerstner hatte sich - nach gründlichem Studium der englischen Eisenbahnliteratur - 1808 für die Anlage einer „Eisenbahn“ ausgesprochen. In der 1821 vollendeten „Elbschiffahrts-Akte“ lud man Österreich schließlich offiziell dazu ein, das Moldau-Donau-Problem zu lösen, und zwar entweder durch die Anlage eines „Kanals“ oder einer „Eisenbahn“. Die „Gerstnersche Revolution von 1808“ fand damit - wenngleich höchst verspätet - zu ihrer Fortsetzung.

Da die Vorteile der „Eisenbahn“ angesichts des ungünstigen Terrains gewissermaßen auf der Hand lagen, entschied sich Österreich für diese Variante. Gerstner sen. war zu diesem Zeitpunkt aber bereits allzu betagt und so übernahm sein Sohn die Realisierung dieses Projektes. Auch dieser hatte sich bereits intensiv mit dem englischen Schrifttum befaßt, besuchte aber im Gegensatz zu seinem Vater selbst die Insel, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Durch geschickte Marketing-Methoden gelang es ihm einerseits ein „Eisenbahn-Privilegium“(1824) zu erheischen(s.o.) und andererseits finanzkräftige Investoren zu gewinnen. Schließlich gründete er die „Erste Eisenbahngesellschaft“ Österreichs. Die Hauptteilnehmer waren folgende Wiener Bankhäuser: Geymüller & Co., Simon G. Sina und I.H. Stametz & Co. Am 20. März 1825 trat Gerstner jun. schließlich sein Privilegium an die Gesellschaft ab und stellte sich ihr als „Bauführer“ zur Verfügung.

Obwohl die Gründung dieser Gesellschaft letztlich auf ausländischen Impuls(„Elbschiffahrtsakte 1821“) hin und damit vor dem Hintergrund eines größeren Zusammenhanges passierte, so war von vorne herein klar, daß sich diese hinsichtlich des zukünftigen Güterverkehrs niemals im luftleeren Raum bewegen würde: Schon seit ältester Zeit hatte nämlich der Salztransport vom „Salzkammergut“ nach Böhmen ein technisches und ökonomisches Problem dargestellt. Bereits Gerstner sen. hatte 1808(s.o.) darauf Bezug genommen. Nun ging man daran, dieses auf moderne Weise zu lösen. Geplant war damals noch grundsätzlich die Anlage einer „Pferde-Eisenbahn“, doch Gerstner jun. orientierte sich schon früh ganz klar am „Dampf-Lokomotivbetrieb“.

Im Jahre 1825 fand im böhmischen Nettrowitz(Netrebce) der Spatenstich statt. Da es damals noch keine Baufirmen nach heutigem Muster gab, hatte Gerstner jun. größte Probleme, die nötigen Arbeitskräfte zu engagieren. Dazu traten aber noch andere Widrigkeiten.

Techno-historisch betrachtet ist vor allem die avantgardistische Gesinnung von Gerstner jun. bemerkenswert: In England sah man noch bis in die Mitte der 1840er Jahre hinein Steigungen von nur 8-9 Promill als „hoch“ und für den Lokomotivbetrieb ungeeignet an. Also schaltete man sogenannte „Schiefe Ebenen“(Seilzug-Abschnitte) ein. Gerstner jun. jedoch pochte darauf, daß man „Gebirgs-Trassen“ auch ohne solche „Schiefen Ebenen“(und damit ohne Unterbrechung!) errichten und darüberhinaus mit Dampflokomotiven betreiben könne. Insofern stellte er also einen wichtigen Vorgänger Ghegas dar. In der Tat erinnert die Gerstnersche Trasse am Kerschbaumer Sattel an die Strukturen des späteren „Semmering-Abschnitts“.

Der Gerstnersche „Mini-Semmering-Abschnitt“ am Kerschbaumer Sattel:

Copyright: Elmar Oberegger

Doch Gerstner jun. konnte sein Lebenswerk nicht vollenden: Der Gegensatz zwischen seiner fortschrittlichen Gesinnung und dem Streben der Gesellschaft nach möglichst raschem Gewinn war nicht zu überwinden. Dazu traten sodann noch weitere Probleme. Im Jahre 1828 verließ er die Baustelle.

Sein Nachfolger Schönerer - welcher gegen ihn intrigiert hatte - vervollständigte schließlich die Bahn von Lest bis nach Urfahr(Linz), und zwar auf derart barbarische Weise, daß die Einführung eines Lokomotivbetriebes für alle Zukunft unmöglich gemacht wurde. Sogar der Pferdebetrieb hatte fortan Probleme mit diesem „Schönerer-Abschnitt“(teilw. Vorspann-Betrieb). Damit wurde das „Eisenbahnprojekt Budweis-Donau“ hinsichtlich seiner ursprünglich angestrebten techno-historischen Geltung massiv zurückgeworfen.

Längenprofil Budweis-Urfahr(Linz):

Aus: B.Enderes, Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz, Berlin 1926(Nachdruck 2007), 18.

Für die Gesellschaft war aber vor allem eine rasche Fertigstellung der Bahn wichtig, und nicht die internationale Anerkennung hinsichtlich der Bau- und Betriebstechnik. 1832 wurde die erste österreichische Eisenbahn von Budweis nach Urfahr eröffnet(128,8 km). Sie war die zweite Eisenbahn des europäischen Kontinents. Die französische „St. Etienne-Andrezieuxer-Bahn“(ca. 20 km) war bereits 1827 in Betrieb gegangen.

Bis 1836 wurde die Eisenbahn Budweis-Urfahr bis zur „Bürgerlichen Salzaufschütt“ in Gmunden verlängert und darüberhinaus mit einer Zweigbahn zum „Donau-Terminal Zizlau“ versehen. Dieses Projekt geht letztlich auf den oberösterreichischen Landesbaudirektor Ferdinand Mayer(1767-1832) zurück: Schon 1815 hatte dieser die Anlage einer Eisenbahn von Lambach bis Zizlau vorgeschlagen. Später dehnte er sein Projekt sogar bis Gmunden aus.

Abschließend betrachtet war die „Erste (österreichische) Eisenbahngesellschaft“ - abgesehen von der Einführung des Dampflokomotiv-Betriebes im Bereich Linz-Gmunden 1855/56 - nicht fortschrittlich orientiert. Jener Ungeist, welcher bereits Gerstner jun. zum Verhängnis geworden war(s.o.), blieb über die Jahre erhalten. Man war vor allem am Gelderwerb orientiert und in dieser Hinsicht sehr erfolgreich(v.a. Salztransport). Überliefert ist nur, daß man sich ab 1844 für die Errichtung der Linien Gmunden bzw. Lambach-Salzburg(Bergauer) interessierte. Dies allerdings auch nur in höchst zurückhaltender Form: Die diesbezüglich 1855 erteilte „Bewilligung zu Vorarbeiten“ wurde nicht mehr genützt.

 

Quellen:

ENDERES Bruno: Die „Holz- und Eisenbahn“ Budweis-Linz. Das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. -Berlin 1926(Nachdruck 2007).

OBEREGGER Elmar: Der Eiserne Weg nach Böhmen. Von der Pferde-Eisenbahn zur Summerauer-Bahn. In: Kohle & Dampf. (Ausstellungskatalog). Red. Julius Stieber. -Linz 2006, S. 247 ff.

DERS.: Die österreichischen Pferde-Eisenbahnen. -Sattledt 2007(Veröffentlichungen des Info-Büros für österreichische Eisenbahngeschichte 1).

DERS.: Eisenbahnstadt Gmunden. Geschichte-Bahnhöfe-Linien. -Sattledt 2007(Veröffentlichungen des Info-Büros für österreichische Eisenbahngeschichte 15).

PFEFFER Franz/Günther KLEINHANNS: Budweis-Linz-Gmunden. Pferdeeisenbahn und Dampfbetrieb auf 1106mm Spurweite. -Wien/Linz 1982.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2008.