[ HOME ]        [ INHALTSVERZEICHNIS ]
 

 

 

>> STEYRTAL-BAHN.

 

I: Vorbemerkungen.

Die 1888 konzessionierte und bis 1942 private „Steyrtalbahn“ reichte zur Zeit ihrer größten Ausdehnung(1909-1933) - von Steyr Lokalbahnhof aus betrachtet - einerseits bis Garsten, andererseits bis nach Bad Hall und Klaus.

Das Netz 1909-1933:

Copyright: Elmar Oberegger

Sie war die erste 76cm-Schmalspurbahn im österreichischen Kernland. Den entsprechenden Hintergrund bildete das „Lokalbahngesetz 1887“, welches die Anwendung dieser Spur allgemein gestattete. Zuvor war sie nur auf das 1878 okkupierte Bosnien-Herzegowina beschränkt gewesen.

Das staatliche Ziel bestand darin, im Kernland ein Lokomotiv- und Wagenreservoir für einen eventuellen Krieg gegen Serbien aufzubauen. Die Errichtung von 76cm-Bahnen war in technischer Hinsicht relativ problemlos. Es konnten enge Kurvenradien angelegt werden und so ersparte man sich oftmals die Anlage von teuren Tunnels. Kein Wunder also, daß man nach 1887(s.o.) mit größter Lust auf das neue staatliche Angebot zugriff - zuallererst im Raum Steyr!

Der Niedergang der Bahn begann im Jahr 1933, als das Teilstück Bad Hall-Sierning aufgelassen und in der Folge abgetragen wurde. Heute wird noch das Rumpfstück Steyr Lokalbahnhof-Grünburg mit größtem Erfolg als „Museumsbahn“ betrieben.  

 

II: Netzentfaltung und Betriebsergebnisse bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges.

Chronologisch betrachtet entstand das Netz der Steyrtalbahn wie folgt:

1889, 20. August

GARSTEN-SARNING-STEYRDORF(STEYR LOKALBAHN)-PERGERN-GRÜNBURG

1890, 19. November

GRÜNBURG-MOLLN-AGONITZ

1891, 2. Dezember

Zweiglinie PERGERN-SIERNING-BAD HALL

1909, 26. November

AGONITZ-KLAUS

 

Netz-Entwicklung bis 1909:

Copyright: Elmar Oberegger

Obwohl die erste Konzessions-Urkunde(18. Februar 1888) der „Steyrtalbahn-Gesellschaft“ grundsätzlich für die Strecke Garsten-Steyr-Klaus ausgestellt wurde, so ist nicht zu vergessen, daß die Erschließung Bad Halls von vorne herein einen fixen Bestandteil der Planungen dargestellt hat. Dieser Sachverhalt besitzt eine interessante Vorgeschichte, welche nun kurz dargestellt werden soll.

Schon im Jahre 1879 war in Kremsmünster eine Interessenten-Versammlung hinsichtlich der Errichtung einer normalspurigen Lokalbahn von Wels nach Steyr und Garsten abgehalten worden.

Lokalbahn-Projekt Wels-Steyr(1879/80):

Copyright: Elmar Oberegger

Ein Jahr darauf wurde in Steyr eine Denkschrift zum Thema publiziert. Aus der dortigen Schlußbemerkung geht jedoch hervor, daß die Städte Wels und Steyr keinen wirklich festen Pakt geschlossen hatten. Das Gesamtprojekt fiel somit in der Folge in die Hände verschiedener Privatgesellschaften, nämlich „Welser Lokalbahngesellschaft“, „Kremstalbahn-Gesellschaft“ und „Steyrtalbahn-Gesellschaft(76cm)“.

Den ersten baulichen Schritt setzte die Linzer „Kremstalbahn-Gesellschaft“: Bis 1887 - also ca. ein Jahr vor der Konzessionierung der Hauptstrecke der Steyrtalbahn - wurde die normalspurige (Zweig-)Bahn Rohr-Bad Hall vollendet.

In der Literatur wird nun einhellig behauptet, daß es der Steyrtalbahn-Gesellschaft 1891 einfach nur darum gegangen sei, den „Weltkurort Bad Hall“ zu erschließen. Angesichts dieser Vorgeschichte ist dies jedoch nur zum Teil zutreffend. Tatsächlich ging es vor allem darum, die Wels-Steyrer-Eisenbahnverbindung doch noch herzustellen. Zur Überwindung der verschiedenen Spurweiten wurde in Bad Hall ein entsprechender Terminal errichtet.

Der Normalspur/76cm-Spur-Terminal in Bad Hall:

nach: Hager/Wegenstein 1998, 77.

Von der Steyrtaler Bahnhofsanlage ist heute nur noch das Lokschuppengebäude(sic) übrig. Es wird heute als Wohnhaus verwendet.

Vollendet wurde die Schienenverbindung zwischen Wels und Steyr schließlich durch den Bahnbau von Wels nach Rohr(1893, „Welser Lokalbahngesellschaft“).

Verbindung Wels-Steyr ab 1893: Normal- und 76cm-Spur gemischt!

Copyright: Elmar Oberegger

Doch die Hoffnungen, welche man in die neue Verbindung setzte, wurden in der Folge leider nicht erfüllt. Der Grund war vor allem die egoistische Haltung der Kremstalbahn-Gesellschaft, welche jeden argwöhnisch beäugte, der ihr zu nahe kam. Dazu publizierte sie sogar eine eigene Broschüre mit dem Titel „Die Kremstalbahn und ihre Concurrenzlinien“. Sie besaß überhaupt keinen Sinn für das Phänomen der „Vernetzung“: Daß ein günstiger Anschluß durchaus ein Vorteil für den Kunden sein könnte, lag völlig außerhalb der Wahrnehmung. Besonders mit der Welser Lokalbahngesellschaft führte sie einen regelrechten Krieg. Deren Linie Wels-Rohr war aber essentiell wichtig für die Verbindung Wels-Steyr. Dazu noch später.

Die Errichtung des Bad Haller Zweiges hat also tiefere Ursachen als bisher in der Literatur angenommen wurde.

Der Egoismus der Kremstalbahn-Gesellschaft war auch in der Entwicklung des Hauptstranges Garsten-Klaus von Bedeutung. Im Jahre 1888 hatte sie ihren südlichsten Endpunkt Klaus(= Bf. „Klaus-Steyrling“) erreicht. Die Steyrtalbahn wurde nun aus folgenden Gründen gefürchtet:

1) Schädigung im Bereich des Güterverkehrs Klaus-Linz (trotz der dabei nötigen Umlade-Operationen).

2) Überflügelung durch die eventuelle Errichtung der (ursprünglich in der Tat geplanten) Verlängerungsstrecke Klaus-Windischgarsten.

Daß die Kremstalbahn-Gesellschaft im Umgang mit ihren Gegnern in der Tat nicht zimperlich war, zeigt ja das Welser Beispiel: Mit der Errichtung der Lokalbahn Wels-Sattledt-Rohr(1893) wollte man vor allem die Verbindung Wels-Kirchdorf a.d. Krems-Klaus herstellen, wurde dabei aber von der Kremstalbahngesellschaft derart behindert, daß man sich schließlich gezwungen sah, eine völlig neue Süd-Verbindung (Zweigbahn Sattledt-Pettenbach-Grünau i. Almtal) zu verwirklichen.

Um von vorne herein gröberen Problemen aus dem Weg zu gehen, errichtete die Steyrtalbahn-Gesellschaft ihre Hauptlinie zunächst nur bis Agonitz(1890) und wartete ab. Hinzuweisen ist darauf, daß dieser Bau-Stopp angesichts der wirtschaftlichen Stärke des bereits bestehenden Teils des Hauptabschnitts(Waffen- und Sensenindustrie, Mühlen, Sägewerke u.a.) keineswegs existenzgefährdend war.

Alle diese oben geschilderten Vorgänge waren natürlich keineswegs im Sinne des Staates. Diesem schwebte selbstverständlich ein System der vielschichtigen Vernetzung vor. Im Vorfeld der Errichtung der Pyhrnbahn äußerte sich Dr. Julius Sylvester dazu im Parlament wie folgt:

„Wird die Kremstalbahn, welche derzeit z.T. tertiären Charakter trägt, zu einer Hauptbahn zweiten Ranges umgestaltet, wie dies auch vorgesehen ist, die projektierte Verbindung von Kirchdorf über Sattledt nach Wels, also ein noch günstigerer Anschluß an die Welser Lokalbahn hergestellt und endlich die Steyrtalbahn in der kurzen noch fehlenden Teilstrecke von Agonitz bis Herndl ausgebaut und damit gleichfalls an die Kremstalbahn angeschlossen, so wird sich die Bosruckbahn(= Pyhrnbahn, Anm. d. Verf.) in nördlicher Richtung fächerförmig öffnen, den Verkehr der Städte Linz, Wels und Steyr und im weiteren der Donaustapelplätze Mauthausen, Linz, Aschach-Eferding und Passau aufnehmen und dieselben in eine unmittelbare und kurze Verbindung mit Steiermark und der nach Süden führenden Rudolfbahn bringen“.

Angesichts der engstirnigen und egoistischen Argumentation der Kremstalbahn-Gesellschaft wirken diese Worte in der Tat wie Balsam. Das von Dr. Sylvester umrissene System soll sich jedoch in der Folgezeit dennoch nur bedingt entfalten.

Positiv war aber zumindest, daß die Kremstalbahn im Zuge der Errichtung der Pyhrnbahn verstaatlicht wurde. Damit war für die Steyrtalbahn-Gesellschaft endlich der Weg nach Klaus frei. Dort errichtete der Staat einen neuen, höher gelegenen Bahnhof, in den die Steyrtalbahn schließlich 1909 einmündete. Auf dem Weg dorthin wurde übrigens im Bereich Frauenstein die alte Trasse der Kremstalbahn benutzt.

Skizze zum Verlauf im Bereich Steyrdurchbruch-Klaus:

Copyright: Elmar Oberegger

Bei Frauenstein betrat die Bahn also die alte, im Zusammenhang mit der Errichtung der Pyhrnbahn aufgelassene Trasse der Kremstalbahn. Kurz vor dem neuen Bahnhof von Klaus verließ sie diese jedoch wieder und mündete ebendort ein. Der alte Klauser Bahnhof der Kremstalbahn wurde aufgelassen. Heute fungiert er als Wohnhaus.

Die Betriebsergebnisse zwischen 1890 und 1912 gestalteten sich grundsätzlich positiv.

Entwicklung des Personenverkehrs 1890-1912:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Entwicklung des Güterverkehrs 1890-1912:

 

Copyright: Elmar Oberegger

 

III: Phase des Verfalls(1933-1982).

Hinsichtlich des Verfalls der Steyrtalbahn als System ist besonders ein Datum signifikant, nämlich der 1. August 1933: Damals wurde das Streckenstück zwischen Sierning und Bad Hall aufgelassen und damit die Eisenbahnverbindung Wels-Steyr zerstört. Offizieller Grund: Mangelnde Frequenz. Der relativ gut ausgebaute „Terminal Bad Hall“(s.o.), welcher als Bindeglied zwischen Wels und Steyr gedacht war, war plötzlich ohne Funktion. Dies war aber nur der erste Schritt in der Vernichtung der infrastrukturellen Ressourcen der Steyrtalbahn. Im folgenden Abschnitt wollen wir uns dieser Problematik noch genauer zuwenden.

Der Niedergang der Steyrtalbahn:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Diesem tragischen 1. August 1933 war die Übernahme des Betriebes durch die BBÖ vorausgegangen. Wie kam es dazu?

Betrachtet man die Statistiken des Personen- und Güterverkehrs im Zeitraum 1918 bis 1930, so zeigt sich keineswegs ein vollends katastrophales Bild.

Personenverkehr 1918-1930:

 

Copyright: Elmar Oberegger

 

Güterverkehr 1918-1930:

 Copyright: Elmar Oberegger

Im Jahre 1918 wurden ungefähr fünfmal soviel Personen transportiert wie 1912, im Jahr 1921 ungefähr sechsmal so viel.(s. zum Vergleich die Statistiken 1890-1912) 1930 wurden ungefähr genauso viel Personen transportiert wie im Jahr 1912.

Nun zum Bereich des Güterverkehrs. Die Tonnage des Jahres 1918 deckt sich ungefähr mit jener des Jahres 1912. 1930 wurde allerdings nur noch der Wert von 1903 erreicht. Damals war das Netz noch nicht völlig entfaltet.

Betrachtet man diese Daten, dann ist zwar ein Rückgang zu beobachten, keineswegs aber ein katastrophaler, vernichtender Rückgang. Der Grund dafür, daß die Steyrtalbahn-Gesellschaft im Jahre 1930 aus finanziellen Gründen manövrierunfähig war, lag also anderswo, nämlich in den grundsätzlich ungesunden und teils chaotischen wirtschaftlichen Verhältnissen während der österreichischen Zwischenkriegszeit. Verstaatlicht wurde die Steyrtalbahn schließlich im Jahre 1940. Der Abschnitt Sierning-Bad Hall wurde in der Folge nicht wieder eröffnet, sondern teilweise abgetragen. Das gewonnene Material wurde übrigens im Zuge des Krieges mit der UdSSR verwendet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bahn Teil des Netzes der ÖBB. Längst waren Trasse und Fahrpark extrem sanierungsbedürftig. Doch diesbezüglich wurden auch in der Folgezeit keine durchgreifenden Maßnahmen gesetzt; und dies obwohl Jugoslawien im Zuge der 1970er Jahre seinen 76cm-Fahrpark auflöste und somit moderne Diesel-Lokomotiven und Waggons billig erhältlich gewesen wären.(s.o.)

Voraussetzung für den Einsatz moderner Lokomotiven wäre allerdings eine grundlegende Trassen-Sanierung gewesen. Zu dieser konnte man sich aber nicht entschließen, handelte es sich doch nur um eine „Lokal-Bahn“ und noch dazu um eine „Schmalspur-Bahn“. Daß auch eine solche Bahn sehr leistungsfähig sein kann(Beispiel Jugoslawien, s.o.) wollte man offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. Weder Staat noch ÖBB brachten also der Steyrtalbahn die an sich nötige Wertschätzung entgegen und man entschloß sich dazu, die Linie schön langsam kaputt zu sparen.

Aufgrund mangelnder Kundenakzeptanz wurde mit 1. Jänner 1967 der Zweig Pergern-Sierning aufgelassen und in der Folge fast vollständig abgetragen. Aus technischen und organisatorischen Gründen wurde ab 26. Mai 1968 der Personenverkehr in den Bereichen Grünburg bzw. Molln-Klaus mittels Schienen-Ersatzverkehr(Autobusse) abgewickelt. Hier ging es nicht zuletzt darum, die Straßenkreuzung bei Frauenstein zu entlasten. Immerhin entwickelte sich die B 138 zu dieser Zeit immer mehr zur wichtigen Nord-Süd-Verbindung.

Aber erst das Jahr 1980 soll für die Steyrtalbahn zum „Schicksalsjahr“ werden: Am 14. März fuhr der Frühzug 3660 zwischen Leonstein und Haunoldmühle in einen Felssturz. Umgehend wurde die Strecke geräumt und der Betrieb verlief weiterhin reibungslos. Erst nach 14 Tagen erkannte eine Kommission die Gefährlichkeit der Lage(!) und es wurde eine Sperre im Bereich Grünburg-Klaus verfügt(29. März). Nun war die Fabrik in Haunoldmühle plötzlich ohne Anschluß. Nach entsprechenden Interventionen wurde sie ab 27. Oktober allerdings wieder bedient.

Nun war allgemein deutlich geworden, daß die Bahn nur durch wirklich große Investitionen gerettet werden könnte. Doch diese erschienen aufgrund mangelnder Wertschätzung(s.o.) als zu hoch. Somit ging man daran, auch noch den Rest aufzulassen. Die Einstellung erfolgte am 1. Dezember 1982.

Staat und ÖBB verhielten sich also gegenüber der Steyrtalbahn genauso wie ein verantwortungsloser Haus-Erbe, der zur Erhaltung seines ererbten Eigentums über die Jahre keinerlei Rücklagen bildet, und es schließlich abreißen läßt. Der weit verbreiteten Ansicht, daß sich der Erhalt der Bahn ohnehin nicht rentiert hätte, wollen wir im nächsten Abschnitt mit Entschiedenheit entgegentreten.

 

IV: Verlorene Potentiale.

Wir erinnern uns: Das Teilstück Sierning-Bad Hall wurde im Jahr 1933 offiziell aufgrund mangelnder Frequenz aufgelassen. Schon früher war dieser Zustand beklagt worden. Dies ist fürwahr bemerkenswert, lag dieser Abschnitt doch mitten in der Relation Wels-Steyr, welcher man noch 1880 eine glänzende Zukunft vorausgesagt hatte.

Stellt man die Frage nach den konkreten Gründen dieser mangelnden Frequenz, so muß man zur Kenntnis nehmen, daß jene privaten Bahngesellschaften, welche bis 1893 die Verbindung Wels-Steyr herstellten, nur ihr eigenes, unmittelbares Interesse verfolgten und damit der Blick aufs Ganze fehlte. Diesbezüglich trat vor allem die „Kremstalbahn-Gesellschaft“(Abschnitt Rohr-Bad Hall) hervor. Damit wurde sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr gehemmt.(s.o.)

Im Jahre 1906 wurde die Kremstalbahn-Gesellschaft im Zuge der Errichtung der Pyhrnbahn verstaatlicht. Nun wäre es das Gebot der Stunde gewesen, staatlicherseits gemeinsam mit der „Welser Lokalbahngesellschaft“(Wels-Rohr) und der „Steyrtalbahn-Gesellschaft“(Bad Hall-Steyr) ein Verbund-Abkommen zu schließen, um den Verkehr Wels-Steyr zu heben. Die verschiedenen Spurweiten(s. entspr. Karte) hätten ja kein unüberwindbares Problem dargestellt: Einerseits existierte - wie oben bereits dargestellt wurde - in Bad Hall bereits ein Umlade-Terminal, andererseits hätte die Möglichkeit bestanden, zwischen Bad Hall und Wels eine dritte Schiene einzulegen.

Doch dazu kam es nicht. Selbst 1931, als der Staat den Betrieb der Steyrtalbahn übernahm, wurde diese Option nicht einmal diskutiert. Vor diesem Hintergrund kam es schließlich zur österreichischen Selbst-Verstümmelung von 1933: Die Verbindung zwischen den wichtigen Städten Wels und Steyr wurde ganz einfach zerstört. Für Steyr wäre aber nicht nur der Weg nach Wels wichtig gewesen, sondern auch jener zum Knoten Rohr, von wo aus Graz, Klagenfurt und Villach schneller erreichbar gewesen wären als über Hieflau.

Eisenbahnverbindungen Steyr-Graz/Klagenfurt/Villach:

Copyright: Elmar Oberegger

Ferner wurde das schnellbahnmäßige Potential der Steyrtalbahn nicht erkannt: Es hätte nämlich die realistische Möglichkeit bestanden, die Bahn in den Bereich der City hereinzuführen. Aufgrund der ungünstigen Steigungsverhältnisse wäre natürlich die Umwandlung der Bahn in eine elektrifizierte „(Überland-)Tramway“ gewesen. Bautechnisch betrachtet hätte es nur der Umsetzung einer geringen Niveau-Angleichung am Eingang der Redtenbachergasse bedurft. Sodann hätte etwa der Bad Haller Kurgast direkt ins Zentrum von Steyr fahren können.

Im Falle der Verlegung eines dritten Gleises zwischen Wels und Bad Hall(s.o.) wäre das Einzugsgebiet aber noch größer gewesen. Auch Klaus, Molln und Grünburg wären direkt mit dem Zentrum von Steyr, aber auch mit dem Garstener Knoten(St. Valentin, Wien u.a.) in Verbindung getreten. Nach Graz, Klagenfurt und Villach hätten von Steyr aus fortan zwei günstige Verbindungen bestanden: Einerseits via Rohr, andererseits via Klaus.

Konzept „Steyrer (Überland-)Tramway“:

Copyright: Elmar Oberegger

Angesichts dieser günstigen Strukturen wäre auch die Errichtung einer Straßenunterführung(B 138) im Bereich Frauenstein zu vertreten gewesen.

Doch solche Ideen werden in Österreich, welches erst langsam die Bedeutung des Schnellbahnverkehrs für Ballungsräume zu erkennen scheint, ohnehin als Narretei abgetan - Insbesondere in der rückständigen „Motor-City“ Steyr, wo man anscheinend noch immer daran glaubt, daß mittels PKW und LKW-Einsatz der uralte Traum der unbegrenzten Mobilität verwirklicht werden kann.

Betrachtet man die beiden oben dargestellten Optionen, so steht fest, daß die Auflassung der Steyrtalbahn volkswirtschaftlich schädlich war. Es hätten sehr gute Chancen bezüglich einer Adaptierung und Attraktivierung bestanden.

 

V: Der Weg zur Museumsbahn(1982-1985).

Jahrelanges, unermüdliches Ringen um den Erhalt der Steyrtalbahn, das oft einem Anrennen gegen Windmühlenflügel glich, führte schließlich Dank der gemeinschaftlichen Bemühungen verschiedener Interessensverbände zum Erfolg.

Der Verein „Pro Steyrtalbahn“, die „Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte“ (ÖGEG) und der Fremdenverkehrsverband Grünburg zogen an einem Strang – mit Erfolg, denn am 15.6.1985 konnte die Teilstrecke Steyr Lokalbahn – Grünburg wiedereröffnet werden. Mit 17 Kilometern Streckenlänge ist die Steyrtalbahn die längste Museumseisenbahn Österreichs.

1. Das Ende.

Das Ende der Steyrtalbahn begann sich am 28.03.1980 abzuzeichnen, als der Abschnitt Grünburg – Molln für den Gesamtverkehr gesperrt wurde. Dies geschah aufgrund einer Hangrutschung am 14.03.1980 im Bereich der Haltestelle Haunoldmühle. Obwohl die Schäden sofort beseitigt wurden, erfolgte diese Sperre eigenartigerweise erst 14 Tage nach dem Ereignis „wegen Gefährdung der Sicherheit“. Sie erfolgte so plötzlich, dass nicht einmal mehr eine Lokomotive nach Molln überstellt werden konnte, um den bedeutsamen Güterverkehr (mehr als 100.000 Tonnen pro Jahr) im Abschnitt Molln – Klaus aufrechterhalten zu können.

Schließlich erfolgte am 28.02.1982 (mit Wirksamkeit vom 01.03.1980) die Sperre der Teilstrecke Garsten – Grünburg aus Sicherheitsgründen, nachdem infolge des Tauwetters geringe Mengen Gesteins von der „Neuzeughammerlehne“ abbröckelten. Die Pflege dieses nahe der Haltestelle Neuzeug gelegenen Hanges wurde jahrelang vernachlässigt…

Die offizielle Stilllegung der Steyrtalbahn am 1.12.1982 war nur mehr ein Formalakt.

2. Kämpfe um den Erhalt der Bahn.

Bereits seit Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts war die Steyrtalbahn immer wieder Spielball für die Straßenbaulobby. Vor allem für eine Umfahrungsstraße von Grünburg machten sich immer wieder verschiedenste Leute stark, wobei der Straßenverlauf im Ortsgebiet von Grünburg auf der Bahntrasse, die hier unmittelbar an Ufer der Steyr entlang führte, geplant war. Als nach der Einstellung der Bahn diese Straßenvariante geprüft wurde, stellte sich deren technische und finanzielle Undurchführbarkeit heraus. Es waren aktive Mitglieder der 1974 gegründeten ÖGEG, die schon zu dieser Zeit eine Gefährdung der Bahn sahen und begannen, Unterschriften nach dem Motto "Rettet die Steyrtalbahn" zu sammeln. Gleichzeitig wurde ein Forderungskatalog mit Verbesserungsmaßnahmen zusammengestellt, der in erster Linie Fahrplanverbesserungen und einen Betrieb mit Triebwagen vorsah. Daneben betrieben die Mitglieder aus dem ÖGEG-Arbeitskreis „Steyrtalbahn“ intensiv Werbung für die Steyrtalbahn und veranstalteten unzählige Sonderzüge. Doch mehr als  30 000 gesammelte Unterschriften sowie die Ideen, den Betrieb zu rationalisieren, halfen nicht, die Verantwortlichen der ÖBB und die Politiker umzustimmen. Auch der Verein "Pro Steyrtalbahn", der zu Beginn der 80er Jahre gegründet wurde, konnte die Bahn nicht retten. Binnen kürzester Zeit traten diesem Verein mehr als 700 Mitglieder bei, man arbeitete weiter ein rationelleres Betriebsmodell aus. Ziel dieses Vereins war es, die Steyrtalbahn in ihrer gesamten Länge (von Garsten bis Klaus, etwa 40 Kilometer) als Ausflugs- und  Museumsbahn zu erhalten. Über oberösterreichische Zeitungen wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen, damit dieses Vorhaben verwirklicht werden konnte. Der Erfolg konnte sich sehen lassen, diese Sammlung, deren Erlös auch der Sanierung der „Steinschlaghänge“ dienen sollte, brachte etwa 250 000 ATS (~ EURO 18 168,21) ein. Leider brachten auch diese Aktivitäten keinen Erfolg, somit wurde die Steyrtalbahn mit Wirksamkeit vom 1.12.1982 mittels Bescheid  offiziell eingestellt. Bereits ein Jahr später begann man, Strecke und Anlagen zu veräußern. Der Abschnitt Garsten - Steyr Lokalbahnhof wurde verkauft, zwischen Grünburg und Klaus wurde auf weiten Teilen der Bahntrasse in den folgenden Jahren ein Radweg errichtet, andere Streckenstücke mussten dem Straßenausbau weichen. Ein Schotterunternehmen in Molln, bis zuletzt Hauptkunde der Bahn, wollte im Abschnitt Molln - Klaus die Schotterzüge in Eigenregie weiterführen, kam aber von diesem Vorhaben wegen der vielen bürokratischen Hürden wieder ab. Für diese Idee, dass ein privater Betreiber eine ÖBB-Strecke übernimmt, war anscheinend von Seiten der Politik die Zeit noch nicht reif! Somit konnte lediglich das 17 km lange Reststück Steyr Lokalbahnhof - Grünburg gerettet werden. Die unermüdlichen und zähen Verhandlungen der Vereine „ÖGEG“ und „Pro Steyrtalbahn“ mit den ÖBB und dem Land Oberösterreich wurden Ende August 1984 zu einem positiven Abschluss gebracht. Die Kautionsforderungen der ÖBB für die eventuelle Abtragung der Strecke nach einer Einstellung des Museumsbetriebs fielen letztendlich weg und es gelang, den Abschnitt Steyr Lokalbahn – Grünburg - Haunoldmühle zu übernehmen. Im Abschnitt Garsten – Steyr Lokalbahnhof war bereits im Mai 1984 mit den Abtragungsarbeiten begonnen worden.  Bereits ab Sommer 1985 sollte auf dem geretteten Streckenteil einen Museumsbetrieb eingerichtet werden. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Nach der Erteilung der Betriebsgenehmigung (nach dem OÖ Veranstaltungsgesetz) für einen Museumsbetrieb zwischen Steyr und Grünburg wurde sofort mit der Streckensanierung begonnen. Über 7000 ehrenamtliche Arbeitsstunden leisteten die Freunde der Steyrtalbahn von Herbst 1984 bis Sommer 1985 und haben  in diesem Zeitraum nicht nur die Strecke saniert, sondern auch Fahrzeuge aufgearbeitet und die Bahnhöfe teilweise renoviert. Sehr groß war auch die Hilfe und Beteiligung lokaler Organisationen. So wurde zB der Bahnhof Grünburg vom örtlichen Fremdenverkehrsverband neu hergerichtet. Schon Anfang Oktober 1984 konnte erstmals der ÖGEG-Clubabend der Ortsgruppe Steyr im vereinseigenen Lokal im Bahnhof Steyr Lokalbahn abgehalten werden.

Während sämtliche zur Strecke gehörenden Anlagen und Bauwerke überlassen wurden, stellten die ÖBB die Zugförderungsstelle Garsten und somit alle Werkstättengebäude und Lokschuppen NICHT zur Verfügung, denn die Eisenbahnergewerkschaft plante auf diesem Areal die Errichtung einer Sportanlage (die bis heute nicht errichtet wurde).

3. Rettung der Fahrzeuge.

Im Mai 1984 konnte die ÖGEG  48 Güterwagen erwerben, im Dezember 1984 wurden schließlich die Lokomotiven 298.52, 298.53 und 699.103 angekauft. Da die Gleisanlagen in Garsten bereits entfernt waren, wurde die 298.52 noch vor den Weihnachtsfeiertagen 1984 mit Hilfe eines Autokrans auf einen Straßentieflader gehoben und so nach Steyr Lokalbahn überstellt. Nach mehrstündigen Instandsetzungsarbeiten an der Steuerung wurde die 298.52 angeheizt. Sie fuhr in der Nacht vom 27.12. auf 28.12.1984 mit eigener Kraft nach Grünburg, wo sich der Lokschuppen befindet. So war nach nun schon drei Jahren erstmals wieder eine Dampflok auf dieser Strecke unterwegs. Zum Jahreswechsel 1984/1985 wurden einige Sonderfahrten durchgeführt. Die Überstellung der beiden anderen Dampflokomotiven erfolgte auf gleiche Weise, jedoch einige Wochen später.

Im Februar 1985 konnte mit der 298.106 eine schon fast verloren geglaubte Dampflokomotive erworben werden. Dieses Triebfahrzeug wurde 1973 von einem Schweizer Eisenbahnfreund erworben, wurde vom ihm äußerlich restauriert und war in Rheinau als Denkmal aufgestellt. Zwischen dem Eigner und der ÖGEG wurde ein entsprechender Abtretungsvertrag geschlossen. Bei dieser Lokomotive handelt es sich um eine Originallokomotive der Steyrtalbahn AG, die einst als Nr. 6 „Klaus“ bezeichnet war.

4. Der Mühen Lohn.

Am 15.6.1985 wurden schließlich die Mühen der vielen unermüdlichen Helfer mit der feierlichen Eröffnung der Museumsbahn belohnt. Unter den Ehrengästen und ersten Fahrgästen befanden sich Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck, sein Stellvertreter Dr. Grünner, die Landesräte Leibenfrost und Reichl, Heinrich Schwarz, Bürgermeister von Steyr, Senatsrat Dr .Kurt Nekolny, Präsident der ÖGEG und Dr. Schwarz, Obmann des Vereins „Pro Steyrtalbahn“.

 Dr. Kurt Nekolny erklärte in der Eröffnungsansprache: „ Mit der Steyrtalbahn als Museumsbahn wurde ein ganz neuer Weg zur Erhaltung musealen Kulturguts beschritten.“

 Auch Bürgermeister Heinrich Schwarz, der nach der „endgültig letzten Fahrt“  drei Jahre vorher nicht mehr so recht an eine Wiedereröffnung glauben konnte, zeigte seine Freude darüber, dass die Steyrtalbahn nun wieder in Betrieb ging Da die einstmals älteste mit Dampf betriebene Schmalspurbahn Europas während ihres langjährigen Bestehens für die Stadt Steyr eine große Bedeutung gewonnen hatte, wurde vom Stadtoberhaupt zugesichert, sich in der nunmehrigen Ära als Museumsbahn etwaigen Bitten um finanzielle Unterstützung sicher nicht zu verschließen. Am Eröffnungstag konnten bereits 510 Fahrkarten verkauft werden. Um den Betrieb abwickeln zu können, stellten die ÖBB bis zur Übergabe der restlichen zweiachsigen Waggons zwei vierachsige Wagen von der Mariazellerbahn leihweise zur Verfügung. Die zweiachsigen Wagen wurden nach der Betriebseinstellung zu anderen Schmalspurstrecken überstellt und mussten nun wieder zurückgebracht werden.

Als erster offizieller Betriebstag gilt der 23.6.1985. An diesem Tag verkehrte auch ein ÖGEG-Dampfzug mit der Dampflokomotive 52.3316 von Linz nach Garsten und zurück. Auf der Steyrtalbahn waren alle drei betriebsfähigen Dampflokomotiven im Einsatz, neben den Personenzügen wurde zu Fotozwecken auch ein Güterzug in Verkehr gesetzt.

Bereits im September 1985 konnte der zehntausendste Fahrgast in einem der Museumszüge begrüßt werden, bis zum Ende der Betriebssaison im Oktober 1985 frequentierten ungefähr 12 000 Fahrgäste die neue Museumsbahn. Dies waren die Höhepunkte der ersten erfolgreichen Betriebssaison, der bis heute noch viele folgten.

 Lokomotive "KLAUS" in Grünburg:

Copyright: Elmar Oberegger

 

VI: Quellen.

DAUCHER Kurt: 100 Jahre Steyrtalbahn. 1889-1989. -Steyr 1989.

Die Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (ÖGEG), Nordhorn, Verlag Kenning 1988.

HAGER Christian/Peter WEGENSTEIN: Steyrtalbahn. Schmalspurstrecken Garsten-Steyr-Klaus und Pergern-Bad Hall. - Linz 1998.

OBEREGGER Elmar: Die Steyrtalbahn. Garsten-Steyr Lokalbahnhof-Pergern-Bad Hall/Klaus. -Sattledt 2007(Veröffentlichungen des Info-Büros für österr. Eisenbahngeschichte 14).

PFEIL Herbert: Die Steyrtalbahn. Österreichs älteste Schmalspurbahn. -Garsten 1977.

DERS.: Die Steyrtalbahn. Die älteste Schmalspurbahn Österreichs mit 760mm Spurweite. In: 1000 Jahre Garsten. Jubiläumsschrift zur 1000 Jahr-Feier der Marktgemeinde. -Garsten 1984, S. 205 ff.

SCHOBER Walter: Die Steyrtalbahn. -Wien 1982(Bahn im Bild 25).

TAUSCHE Wilhelm: Dampflokomotiven auf der Steyrtalbahn, Stuttgart, Franckh´sche Verlagsbuchhandlung 1974.

ZEHETNER Dietmar: Diverse Aufzeichnungen (seit 1977 ÖGEG – Mitarbeiter).

Zeitschrift  „Schienenverkehr aktuell“, Verlag Pospischil, Wien, verschiedene Ausgaben der Jahrgänge 1982, 1984 und 1985.

 

Copyright: Abschnitte I.-IV. by Elmar Oberegger 2008, Abschnitt V. by Dietmar Zehetner 2009(Eine erste Fassung dieses Textes veröffentlichte der Autor in der Zeitschrift „Die Dampfbahn“, 12. Jahrgang, Heft 47/48 (Dezember 1985). „Die Dampfbahn“ wurde herausgegeben von den Vereinen „Ulmer Eisenbahnfreunde e. V.“ und „Eisenbahnfreunde Zollernbahn e. V.“), Abschnitt VI. by E. Oberegger/D.Zehetner 2009.