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>> TAUERN-BAHN.

 

I: Vorbemerkungen.

 

Die Funktion der zwischen 1901 und 1909 errichteten „Tauern-Bahn“ bestand ursprünglich darin, den Einflußbereich des österreichischen Adriahafens Triest in Richtung Bayern/Süddeutschland und Westböhmen auszudehnen.(1) Heute profitieren auch andere Häfen - rein strukturell betrachtet - von diesem Verkehrsweg.

Die Tauernbahn im Eisenbahnsystem vor 1918:

Copyright: Elmar Oberegger

Grundsätzlich reicht die Bahn von Schwarzach-St. Veit bis Spittal-Millstättersee. Im alten Triester Volksmund wurde allerdings die gesamte Relation Salzburg-Villach-Wochein-Triest mit „Tauernbahn“ bezeichnet.(2) Die Verbindung Salzburg-Villach wird heute allgemein „Tauern-Korridor“ genannt.

Die Tauernbahn wurde - vom Haupttunnel(8,5 km) abgesehen - ursprünglich nur eingleisig angelegt. Seit ungefähr 60 Jahren ist man jedoch bemüht, sowohl die Kapazität als auch die Leistungsfähigkeit der Strecke zu erhöhen. Der durchgängige zweigleisige Ausbau - verbunden mit weiteren, bedeutenden Linienverschwenkungen - wird in den nächsten Jahren abgeschlossen sein.

Der alte Verlauf:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Streckendaten ändern sich heute laufend. Somit erscheint es opportun, erst nach dem Abschluß des Ausbaus eine neue Karte zu erstellen.

Ausbau Tauernbahn: „Umfahrung Falkenstein“(1974).

Copyright: Pfeiffer. Aus: Eisenbahn 9 (1971), 134.

Im Vordergrund die alte Trasse, im Hintergrund die neue, zweigleisige Brücke.

 

II: Idee und Trassen-Varianten.

Lange Zeit scheute der österreichische Techniker vor der Errichtung von Tunnelanlagen zurück, welche länger als unbedingt nötig waren. Während jedoch Semmering, Brenner und Karst überschient werden konnten, so gab es andere wichtige alpine Gegenden, welche auf jeden Fall unterfahren werden mußten. Dazu zählte der Tauernstock. Der Wunsch nach einer Eisenbahn zwischen Salzburg und Villach wurde bereits in den 1860er Jahren geäußert. In der Folge wurde das Tauerngebiet allerdings nur mit Eisenbahnen umgürtet, jedoch aber nicht eisenbahnmäßig bezwungen.

Die eisenbahnmäßige Umgürtung des Tauerngebietes:

Copyright: Elmar Oberegger

Der erste alpine Großtunnel umfaßte 13 Kilometer und wurde bis 1871 zwischen Frankreich und Italien errichtet(„Fréjus-Tunnel“). Dieser Sachverhalt stellte natürlich ein technisches Paradigma ersten Ranges dar. Umgehend machten sich die Schweiz und Österreich daran, diesem nachzufolgen.

In der Schweiz wurde schließlich der Gotthard-, in Österreich der Arlberg-Tunnel(1884) erfolgreich dem Verkehr übergeben. Von diesen Leistungen ermutigt, plante man schon im Jahr 1885 offiziell die Errichtung eines „Tauern-Tunnels“ bzw. einer „Tauern-Bahn“.(3)

Wie oben bereits gesagt wurde, sollte die Funktion der neuen Linie darin bestehen, Bayern und Westböhmen an Triest heranzuführen. Seit der Errichtung der „Brenner-Bahn“(1867) waren diese Gebiete nämlich mit dem seit 1866 ausländischen Hafen Venedig verbunden. Hinzuweisen ist darauf, daß für diesen Übelstand letzten Endes der österreichische Staat die Verantwortung zu tragen hatte.(4)

Die Trasse der Tauernbahn stand keineswegs von vorne herein fest. In der Folge wurden von verschiedenen Seiten entsprechende Vorschläge eingebracht, welche analysiert werden mußten.(5)

Die Tauernbahn-Varianten:

Copyright: Elmar Oberegger

Auf die Darstellung der „Rottenmanner-Bahn“ wurde verzichtet, da diese vor allem im Dienst der Herstellung einer möglichst direkten Verbindung von Böhmen nach Triest gestanden wäre.

Den Hintergrund für die Analyse bildeten folgende Kriterien:

1) Geringe Anlagekosten.

2) Kürzeste Verbindung Salzburg-Villach.

3) Garantie eines sicheren Betriebes(geogr. Lage, Anlage der Trasse).

Die vergleichsweise billige „Rottenmanner-Bahn“(40 Mio K) schied aus den im obigen Kartentext genannten Gründen natürlich sofort aus. Dasselbe passierte mit der „Felbertauern-Bahn“. Sie verlief weitab der Direktlinie Salzburg-Villach und ihre Errichtung wäre relativ teuer(114 Mio K) gewesen.

Optimal erschien schließlich die „Gasteiner-Bahn“(60 Mio K), welche in leicht modifizierter Form errichtet wurde.

 

III: Zu Errichtung und Stabilisierung der Strecke.

Die Errichtung der Tauernbahn begann 1901. Aufgrund technischer und finanzieller Probleme konnte sie jedoch erst im Jahre 1909 eröffnet werden.(6) Der Durchschlag im Haupttunnel fand am 21. Juli 1907 statt.(7) Dessen Herstellung war zwar nicht unproblematisch, dennoch aber waren zumindest keine Todesopfer zu beklagen.

Südportal des Tauern-Tunnels:

Copyright: Karl Erdl

Die Herstellung der neuen Bahn war grundsätzlich aufwendig, mußte doch ein höchst schwieriges Gebiet durchquert werden. Viele kühne Bauten geben uns Auskunft darüber.

Die Angerschlucht-Brücke bei Bad Gastein:

Aus: GDÖU VI, 101.

In den nächsten Jahren soll sie aufgelassen werden.

 

Das Kaponigbach-Viadukt zur Bauzeit(Ende 1907):

Aus: GDÖU V/1, 66.

Im Zuge des Ausbaus bereits aufgelassen.

Die Tauernbahn-Baustelle konnte kaum ungünstiger liegen: Um sie erreichen und versorgen zu können, mußten Seilbahnen, Aufzüge und sogar Kleinbahnen errichtet werden. Dazu traten die Elementarereignisse: Hochwässer und Lawinen.

Ende 1903 unterbrach ein Hochwasser der Gasteiner Ache die Bauarbeiten für geraume Zeit. Nach der Eröffnung machte der Höhkaar-Bach Probleme. Er mußte verlegt und gesichert werden. Die wohl größte Gefahr stellten aber die Lawinen dar: Im Jahr 1909 wurden 26 Arbeiter bei Böckstein getötet. Weiters wird berichtet:

„Am Thomaseck und am Hochstuhl zwischen Gastein und Böckstein sowie über dem Südportal des Tauerntunnels und an den Hängen des Auernigg nächst der Station Mallnitz mußten zahlreiche und ausgedehnte Lawinenschutzbauten in Höhen von 1200 bis 1900 m ausgeführt werden, die einen Kostenaufwand von über 300.000 K erforderten“(8).

Nach der Eröffnung zeigte sich, daß die Schienen in den Neigungsstrecken wanderten. Mittels der Anbringung von Stützklemmen und Stemmwinkeln arbeitete man dieser unangenehmen Erscheinung entgegen.

Zu diesem Problem trat aber noch der Umstand, daß sich der Dössen-Tunnel(Südrampe) nicht wie vorgesehen entlüftete. Nach der Durchfahrt eines Zuges bildete sich ein sogenannter „Dampf-Pfropfen“, welcher dem Lokomotivpersonal des nachfolgenden Zuges die Luft raubte. Mittels Installation einer elektrischen Entlüftungsanlage konnte dieser Übelstand überwunden werden.

Der Kostenvoranschlag für die Tauernbahn lautete ursprünglich auf 60 Millionen Kronen. Aufgrund der Probleme während des Baus betrugen die Errichtungskosten jedoch letzten Endes über 90 Millionen Kronen.

 

IV: Zur Bedeutung.

Die Tauernbahn entwickelte sich durchaus planmäßig: Im Jahre 1912 umfaßte die Verkehrsbewegung in der Relation Böhmen/Süddeutschland-Triest 670.000 Tonnen Güter(in beiden Richtungen). Transportiert wurden u.a.: Zucker, Maschinen, Kohle, Glas, Baumwolle, Südfrüchte und Tabak. Damit verkehrten durchschnittlich 6 Güterzüge pro Tag.(9) Das Potential dieser eingleisigen Linie war also am Vorabend des Ersten Weltkrieges bei weitem nicht ausgeschöpft.

Der Personenverkehr stellte bereits sehr früh einen wichtigen Verkehrsfaktor dar. Das reiselustige Publikum genoß die Schönheit der Landschaft, oft ohne an jene Menschen zu denken, welche im Zuge des Baus ihr Leben verloren hatten. Mit der Errichtung der Bahn war ferner die schöne, blaue Adria näher an Salzburg und Bayern herangerückt.

Doch nur kurz konnte die Tauernbahn ihrer ursprünglichen Funktion gerecht werden. Im Jahr 1914 brach der Erste Weltkrieg aus und schon im Folgejahr war Österreich mit der „Isonzo-Front“ gegen Italien konfrontiert. Hinsichtlich der Versorgung dieser leistete die neue Linie beste Dienste.

Nach 1918 war der Güterverkehr noch schwächer geworden. Erst die Einführung der „Adria-Tarife“ am Anfang der 1920er Jahre vermochte den Triest-Verkehr wieder anzukurbeln.(10)

Bis 1935 konnte die Elektrifizierung abgeschlossen werden, welche bereits vor 1914 ins Auge gefaßt worden war. Nun ging es aber für Österreich in erster Linie darum, von den teuren Kohle-Importen aus dem nunmehrigen Ausland unabhängig zu werden.

Im Kontext des 3. Reiches wurde die Tauernbahn zum ersten Mal streckenmäßig ausgebaut: Es ging darum, die Linie durch die Verlängerung von Bahnhofsgeleisen für einen eventuellen Angriff in Richtung Südost(Jugoslawien, Griechenland) tauglich zu machen.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges profitieren - rein strukturell betrachtet - auch andere Hafenplätze von der Existenz der Tauernbahn. Besonders vor diesem Hintergrund ist der heutige Ausbau zu betrachten.

Tauernbahn und Adriahäfen:

Copyright: Elmar Oberegger

In der zweiten Nachkriegszeit setzte sich die „Massen-Automobilisierung“ machtvoll durch. Damit erlangte die grundsätzlich bereits nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtete „Autoschleuse Tauerntunnel“ immer mehr Bedeutung.

Hinsichtlich des transitären Personenverkehrs ging die Tauernbahn vor allem als „Gastarbeiter-Strecke“ in die Geschichte ein. Bereits im Jahr 1967 verkehrte der „Tauern-Expreß“ von Oostende nach Split. Dieser Zug hielt sich bis zum Beginn des jugoslawischen Bürgerkrieges.

Zugbegleiter des „Tauern-Expreß“ aus dem Jahr 1988:

Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger

Auf der Tauernbahn konnte man früher aber auch bis nach Athen oder Istanbul reisen. Das heutige Zugangebot in Richtung Südost wirkt im Vergleich höchst bescheiden.

 

V: Anmerkungen.

1) Vgl. zum Thema grundlegend Josef DULTINGER: 75 Jahre Tauernbahn. -Rum 1984.; Albert DITTERICH: Tauernbahn. -Fürstenfeldbruck 2000.; Franz HOCHWARTER/Franz Fuchs: 100 Jahre Tauernbahn. -St.Johann/Pg. 2004.

2) Weitere Bezeichnungen: „Wocheiner-Bahn“, „Transalpina“.

3) Vgl. Hanns HAAS: Triest im altösterreichischen Verkehrssystem. Ein eisenbahngeschichtlicher Versuch. In: Festschrift F. Kreissler. Hrsg. v. R. Altmüller u.a. -München 1985, S. 91 ff. Hier: S. 95.

4) Bereits ab 1874 existierte eine via Lienz führende Eisenbahnverbindung zwischen Bayern/Westböhmen und Triest. Da der Hafen jedoch erst bis zum Jahre 1883 modern ausgebaut war und der Staat durch seine „Privatbahn-Politik“ längst die Herrschaft über den Tarif verloren hatte, war die Herbeiführung einer Umlenkung des nach Venedig verlaufenden Verkehrsstromes unmöglich. Siehe dazu Elmar Oberegger: Eisenbahnhafen Triest. In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. -Internet 2006 ff.

5) Vgl. dazu Technisch-commerzieller Bericht über die Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest. -Wien 1901, S. 3 ff.

6) Die übrigen „Neuen Alpenbahnen“(Pyhrn-, Karawanken-, Wocheiner- und Karstbahn) konnten bereits 1906 eröffnet werden.

7) Vgl. zur Errichtung des Tauerntunnels den entsprechenden Artikel bei Victor RÖLL(Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. -Berlin/Wien 1912 ff.

8) Art. „Tauernbahn“ a.a.O., S. 274.

9) Ausgangspunkt dieser Berechnung: Auf Gebirgs-Strecken mit ca. 25 Promill wurden im damaligen Österreich entweder Güterzüge mit 650 Tonnen(= 3 Lokomotiven) oder Güterzüge mit 250 Tonnen(= 1 Lokomotive) befördert. Hier wurde der 250-Tonnen-Wert herangezogen.

10) Vgl. Drago MATKOVIC: Entwicklung und Probleme der Hafenstadt Triest. In: Der Donauraum 6 (1961), S. 269 ff. Hier: S. 270 f.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.