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 Zu Entstehung und Geschichte der „Ersten Tragflächen-Luftfahrtgesellschaft der Welt“(USA, 1913-1914).

 

Für S.E.

Die Stellung der USA innerhalb der Allgemeinen Geschichte der Luftfahrt ist in der Tat bemerkenswert: Schon früh hatte man sich für diesen mutigen Herrn Lilienthal interessiert, welcher sich – ganz nach der Art der „Alten US-Pioniere“ – mit seinem selbst produzierten Flugapparat in die Lüfte erhob. Man lud ihn sogar zu einer Vortragsreise ein. Doch diese konnte er aufgrund seines tödlichen Absturzes im Jahr 1896 nicht mehr antreten. Zweifel und Furcht machten sich damals unter den Lilienthal-Fans der USA breit…

Trotzdem gelangten die USA schon ein paar Jahre später zur Ehre, Schauplatz des „Ersten bemannten Motorfluges der Weltgeschichte“ zu sein. Dieser wurde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit im Jahre 1901 vom gebürtigen Deutschen Gustave Whitehead durchgeführt. Historisch zu 100% verbürgt ist allerdings der erste Motorflug der Gebrüder Wright im Jahr 1903. Größere wirtschaftlich-industrielle Auswirkungen hatte dies aber im Land nicht.

Im Gegensatz zu Frankreich, Deutschland und England hatten die USA in ihrer Nachbarschaft immerhin keine feindliche Luftflotte zu fürchten: Weder Mexiko noch Kanada waren in dieser Hinsicht Bedrohungsfaktoren. Weder der Staat noch Private interessierten sich somit besonders für das neue System. Die Flugzeugproduktion während des Ersten Weltkrieges blieb vergleichsweise bescheiden.(s. Statistik)

Flugzeugproduktion der USA zwischen 1914 und 1918:

nach L.Bölkow, Ein Jahrhundert Flugzeuge, Düsseldorf 1990, S. 546.

Erst gegen Ende der 1920er-Jahre, also nach den großen technischen Fortschritten des Weltkrieges und zu einer Zeit, als die Vorteile der Luftfahrt bereits fix feststanden, wurde in den USA eine professionelle Flugzeugproduktion eingeleitet, im Zuge derer in der Folge ganz zweifellos hochbedeutende technische Maßstäbe gesetzt wurden.

Angesichts dessen ist nun der Umstand umso erstaunlicher, dass bereits im Jahr 1913 ausgerechnet in den USA(!) die „Erste Luftfahrtgesellschaft der Weltgeschichte“ ins Leben gerufen wurde.

Genauer: Es handelte sich hier um die „Erste Tragflächen-Luftfahrtgesellschaft“, denn schon im Jahre 1909 war in Deutschland die DELAG(= Deutsche Luftschiffahrts-Aktien-Ges.) gegründet worden, welche aber, wie ihr Name schon sagt, ausschließlich Zeppeline einsetzte.

Sowohl Entstehung als auch Geschichte dieser Gesellschaft sollen hier nun kurz beleuchtet werden.

Im Falle der verwendeten Maschine handelte es sich um ein sogenanntes „Wasser-Flugzeug“: Zum ersten Mal wurde dieses technische System im Jahr 1910 vom Franzosen Henri Fabre erfolgreich angewendet.

Der aus Missouri stammende US-Amerikaner Thomas W.Benoist baute 1912 sein erstes Wasserflugzeug, welches größte öffentliche Beachtung auslöste.

Thomas W.Benoist(1874-1917):

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Gegen Ende des Jahres 1913 kam sodann die Idee auf, dieses System dauerhaft zu kommerzialisieren. Die eigentlich treibende Kraft hinter dem Projekt war der Industrielle Percival E. Fansler. Am 17. Dezember 1913 kam jedenfalls völlig problemlos der „Erste Fluglinienvertrag der USA“ zustande, welcher gleichzeitig der „Erste Fluglinienvertrag für Tragflächenflug der Weltgeschichte“ war.

Fokussiert wurde die Relation St. Petersburg-Tampa in Florida. Beide Orte waren zwar (per Luftlinie) nur ca. 35 Kilometer voneinander entfernt, doch die Reise von A nach B war relativ lang und damit beschwerlich. Mit einem Boot etwa war man ungefähr 2 Stunden unterwegs, mit Zug oder Auto noch viel länger. Per Flugzeug sollte die Strecke in ca. 20 Minuten überwunden werden können.

Die Relation St.Petersburg-Tampa(Florida, USA):

Copyright: Elmar Oberegger

Zur Abwicklung des Betriebes baute Benoist ein neues Gerät mit der offiziellen Bezeichnung „BENOIST XIV“, und zwar schließlich in dreifacher Ausfertigung. Für die Funktion des Chefpiloten konnte der bekannte US-Aeronaut Tony Jannus gewonnen werden.

Die „Benoist XIV“:

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Leider war diese Maschine von höchst beschränkter Kapazität: Nur ein Passagier konnte befördert werden und dieser durfte (inklusive Handgepäck!) maximal 90 Kilogramm wiegen. Die (unausgesprochene) Devise war also von Beginn an: „For slim passengers only“!

Chefpilot Tony Jannus mit einem Passagier(1914):

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Am 1. Januar des Jahres 1914 begann der Flugbetrieb. Das erste Flugticket, welches an sich nur 5 Dollar kostete, wurde öffentlich versteigert:

Der glückliche Besitzer war schließlich Abram C. Pheil, der frühere Bürgermeister von St.Petersburg. Er hatte ganze 400 Dollar für diesen „Spaß“ aufgebracht! Nach einem Flug von exakt 23 Minuten(!) war das Ziel der Reise erreicht. Die erste Fracht der Linie war übrigens ein Bündel der „St.Petersburg Times“.

Geflogen wurde an 6 Wochentagen, und zwar grundsätzlich zweimal am Tag. In der Regel flog man ca. 1,50 Meter über der Wasseroberfläche. Die maximale Geschwindigkeit betrug ca. 100 km/h.

Auch Rundflüge oder Flüge zu anderen regionalen Destinationen wurden bald gegen Aufpreis angeboten.

Nach ein paar Monaten kam es zu ersten Zwischenfällen – Flugzeuge wurden beim Landevorgang beschädigt und das öffentliche Echo war ganz typisch für die USA:

Das einst so hochgejubelte „Wunderding“ wurde vom Volk nun gefürchtet. Man könnte beim Flug einen Schaden erleiden. Subventionen begannen auszubleiben…

Fansler versuchte dies zu ignorieren, betonte, wie „sicher“ alles in Wahrheit sei, legte Wert auf die öffentliche Feststellung, wie voll doch das Auftrags-Buch sei…

Im Mai 1914 musste sodann der Betrieb eingestellt werden. Der finanzielle Gewinn war letzten Endes sehr schmal. Chefpilot Jannus ging in der Folge ins Ausland…

Das erste Exemplar der BENOIST XIV wurde verkauft und schließlich in Pennsylvania im Juli 1914 aufgrund der Mitnahme eines „schwergewichtigen Passagiers“ von ca. 130 Kilogramm beim Landevorgang schwerstens beschädigt. Der arme Mann und auch der Pilot haben diesen Unfall übrigens gut überlebt…

Benoist war angesichts des Unterganges seiner Linie wider Erwarten keineswegs entmutigt, hatte er doch immerhin den Beweis geliefert, dass man eine Fluglinie einerseits begründen und andererseits auch (grundsätzlich) gewinnbringend betreiben könne.

Er plante für die Zukunft sogar einen noch größeren Coup, nämlich den Einsatz seiner „BENOIST MODEL C“, mit welcher 5 Passagiere befördert werden könnten. Über Experimental-Flüge kam er hier aber nicht hinaus.

Am 14. Juni 1917 starb er bei einem Autounfall. Seinen ehemaligen Chefpiloten Jannus hatte übrigens schon im Jahr 1916 im Zuge eines Testfluges für die Russische Armee der Tod ereilt.

Was bleibt?

Es bleibt die Erinnerung an Thomas Wesley Benoist, einen großen Pionier der Modernen Kommunikation!

In prophetischer Manier hatte er einst richtig gesagt: “Some day people will be crossing oceans on airliners like they do on steamships today”.

 

Quellen &. Literatur:

GLINES Carroll V.: St.Petersburg-Tampa Airboat Line. World’s First scheduled Airline using winged Aircraft. In: Aviation History 5 (1997), S. 16 ff.

Les trois Hydravions d’Henri Fabre. –Grenoble 1979.

RATHJEN Walter: Historische Entwicklung des Flugzeugs im Überblick. In: Ein Jahrhundert Flugzeuge. Geschichte und Technik des Fliegens. Hrsg. v. Ludwig Bölkow. –Düsseldorf 1990, S. 8 ff.

WHITE Gay B.: The World’s First Airline. –Largo 1984.

WOODCOCK Reginald D.: Benoist. Thomas W. Benoist, Benoist Airplane Company, Benoist students and pilots . –Michigan 1971.

YENNE Bill: Seaplanes &. Flying Boats. A Timeless Collection from Aviation’s Golden Age. –New York 2003.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2015.